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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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um etwas zu beschrei ben, niemals genügen würden. »Es war sehr heiß«, antwortete sie schließlich.
    »Oh, na, das klingt ja himmlisch «, sagte Valentina. »Hast du ein bisschen was dazuverdient?« Dimity blinzelte. »Hat er versucht, dich anzufassen?«
    »Nein«, behauptete sie hastig und schluckte dann, weil der Drang, alles zu erzählen und es damit ganz und gar wirklich zu machen, auf einmal einen dicken Kloß in ihrer Kehle bildete. Valentina schnaubte.
    »Ein Jammer. Ich war mir fast sicher, dass er was versuchen würde. Weit fort von zu Hause, ungewöhnliche Umstände und so weiter. Tja, du hast dir offensichtlich nicht genug Mühe gegeben. Oder du bist vielleicht einfach nicht sein Typ, was?« Sie lächelte kalt. Dimity umklammerte die Erinnerung an ihren Kuss und seine Berührung und drückte sie fest an sich, wie einen Schild gegen solche Spitzen. Wir hätten uns geliebt, wollte sie schreien. Wenn Celeste nicht gewesen wäre, hätte er mich genommen. Er ist nicht frei, das hat er gesagt. Aber sonst hätte er mich geliebt, er wollte es. Er wird mich lieben. Die Macht dieses Gedankens überraschte sie und brachte sie beinahe zum Lächeln.
    »Anscheinend nicht«, sagte sie erstaunlich ruhig.
    »Wenn du gegessen hast, geh und wasch dich. Du stinkst wie saure Milch.«
    Während der ersten zwei Tage, nachdem das Fieber gesun ken war, wurde Dimity schnell müde. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und bewegte sich vorsichtig wie eine alte Frau. Sie wollte schön sein, wenn sie Charles wiedersah. Sie wollte so aussehen, wie sie ihm in der Gasse in Fes erschienen sein musste, von der Sonne geküsst und mit blitzenden Augen. Also wartete sie und stellte fest, dass Blacknowle klein und feucht, trübselig und erbärmlich war. Es war natürlich schon immer feucht und trübselig gewesen, doch erst jetzt war ihr klar, wie unbedeutend dieser Ort tatsächlich war. Welch jämmerliches Leben seine Bewohner führten, die sich Tag für Tag plagten und abrackerten. Sie hatten weder Zeit noch Gelegenheit, sich über eine Balkonbrüstung zu lehnen und die heiße Sonne auf dem Kopf zu spü ren, während eine uralte Stadt unter ihnen summte und atmete. Sie liefen mit gesenktem Blick herum, starrten auf ihre eigenen Füße, weil es keine apricotfarbenen Berge zu sehen gab, keine weite Wüste, die den Blick in die Ferne zog und sie blendete, ängstigte und in Versuchung führte mit einer heißen, durstigen Brise. Blacknowle war nicht bunt. Es war noch Sommer, doch die Farben wirkten stumpf, nichts als Schatten und Grauschattierungen, die Umrisse vom leichten Nebel getrübt. Wenn Dimity die Augen schloss, sah sie einen Bach aus scharlachrotem Blut eine gepflasterte Gasse hinablaufen. Sie sah leuchtend blaue Ziegenhäute auf einem Hügel zum Trocknen aufgespannt, einen zitronengelben Schal um den ebenholzschwarzen Hals einer Frau, und Kinder wie kleine Ziervögelchen in Türkis, Azur und Aquamarin gekleidet. Sie sah sich selbst in einem Kaftan, der rosarot leuchtete wie Bougainvilleen-Blüten, und in einem kupferroten Sonnenstrahl stehend, der Flammen in ihr Haar zauberte.
    Dann, eine Woche nachdem die Aubreys sie bei Valentina abgeliefert hatten, befand Dimity, dass sie gut genug aussah, um nach Littlecombe hinaufzugehen und Charles zu besuchen. Sie dachte lieber nicht darüber nach, weshalb niemand sie besucht hatte. Weder Charles noch Delphine. Das lag nur an Valentina, sagte sie sich. Jeder anständige Mensch, der ihrer Mutter einmal begegnet war, machte fortan einen großen Bogen um ihr Haus. Valentina war schuld dar an, also sagte Dimity ihr auch nicht, dass sie bald fortgehen würde. Wenn Charles Aubrey diesmal Blacknowle verließ, würde er Dimity mitnehmen. Ich werde für dich tun, was ich kann, Mitzy . Sie ging langsam hinüber nach Littlecombe, obwohl sie es kaum erwarten konnte, aber sie wollte nicht verschwitzt und außer Atem dort ankommen. Im Haus rührte sich nichts, doch der blaue Wagen stand in der Einfahrt, und bei seinem Anblick breitete sich ein Lächeln über Dimitys Gesicht aus, das sie nicht unterdrücken konnte. Aufgeregt und voller Freude klopfte sie an die Tür.
    Eine Weile geschah nichts, und Dimity meinte, Bewegung dort drin zu hören und ein schattenhaftes Gesicht in der Dunkelheit hinter dem Küchenfenster zu sehen. Dann öffnete Celeste die Tür, und Dimitys Lächeln wankte und ging unter. Die beiden Frauen standen einander an der Türschwelle gegenüber, und keine sagte ein Wort. Celeste sah

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