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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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müde und strapaziert aus. Ihre Miene war ausdruckslos und still.
    »Du bist wieder gesund, wie ich sehe«, sagte sie schließlich.
    »Ich glaube schon«, entgegnete Dimity. Der hasserfüllte Blick der Frau ließ ihre Gedanken in Bruchstücken auseinanderstieben und verwirrte sie.
    »Tja, das freut mich. Trotz allem, was zwischen uns geschehen ist, würde ich dir nichts Böses wünschen.« Celeste verschränkte die Arme und zog ihr Tuch fester um die Schultern. Sie wirkte irgendwie größer und härter, wie aus Stein. Dimity konnte ihr nicht mehr in die Augen schauen, also senkte sie den Blick auf den Boden zwischen ihnen. Ein Meter Gartenweg aus Steinplatten, doch auf einmal so weit wie der Ärmelkanal. Sie schwankte leicht, als könnte sie das Gleichgewicht verlieren. Ihre Hände zitterten.
    »Darf ich hereinkommen?«, fragte sie atemlos. Celeste schüttelte ernst den Kopf.
    »Ich sage das nicht gern, aber du bist hier nicht mehr willkommen, Mitzy. Den Mädchen habe ich es erklärt, so gut ich konnte, und Charles ebenfalls. Du und ich, wir beide kennen den Grund. Manchmal bleiben Dinge nicht so, wie sie begonnen haben. Sie verändern sich, und wir müssen uns mit ihnen verändern. Es wäre besser, wenn du nicht wieder hierherkommst.« Dimitys Herz stolperte in ihrer Brust, ein kleines Stottern, ein kurzer Stillstand.
    »Ich will … Ich will zu Charles«, sagte sie. Eigentlich hatte sie Delphine sagen wollen, doch in diesem Moment kämpfte sich die Wahrheit heraus. Celeste beugte sich zu ihr vor, und ihre Wangen röteten sich vor Zorn. Sie wirkte riesig, beängstigend. Wie aus einem Albtraum.
    » Deshalb wirst du nicht mehr hierherkommen. Wir werden den nächsten Sommer nicht wieder hier verbringen – nicht, wenn ich ein Wort dabei mitzureden habe. Geh jetzt, Mitzy. Du hast alles verdorben.« Als Celeste sich abwandte, glitzerten in ihren blaugrünen Augen zurückgehaltene Tränen.
    Dimity hätte nicht sagen können, wie lange sie da gestan den und reglos auf die fleckige Farbe und die Holzmaserung der Tür von Littlecombe gestarrt hatte. Die Zeit schien keine Rolle zu spielen, schien sich nicht so fortzubewegen, wie sie sollte. Es war, als steckte Dimity noch immer in den Klauen eines Fiebers, nur halb lebendig. Sie zitterte trotz des milden Tages, und als sie sich schließlich abwandte, erschien ihr der Boden trügerisch. Ihre Füße blieben an un sichtbaren Fallschnüren hängen, und sie musste sich am Tor pfosten abstützen. Sie spürte Blicke im Rücken und dachte sofort, Charles müsse herausgekommen sein, um sie wie derzusehen. Doch als sie sich umdrehte und nach ihm suchte, sah sie nur Delphine hinter einem Fenster im oberen Stockwerk stehen. Die schattenhafte Gestalt mit dem betrübten Gesicht hob eine Hand und winkte traurig. Dimity winkte nicht zurück.
    Drei Tage lang suchte sie überall nach Charles. Sie suchte im Dorf, im Pub, im Laden, sie suchte am Strand und auf dem Klippenpfad und bei der Kirchenruine auf dem Hügel. Doch sie sah ihn nirgends. Valentina fiel auf, dass ihre Tochter von diesen täglichen Ausflügen nun kein Geld mehr mit heimbrachte, und stellte sie eines Tages zur Rede.
    »Hat er also das Interesse an dir verloren? Gefällst du ihm nicht mehr?« Sie reckte aggressiv das Kinn in die Höhe, als sie die Worte aussprach, und eine Sekunde lang verab scheute Dimity sie aus tiefstem Herzen.
    »Er liebt mich! Das hat er mir selbst gesagt!«, erwi derte sie.
    »Ach ja, wirklich?« Valentina kicherte. »Tja, das haben wir alle schon mal gehört, Mädchen. Glaub mir. Richte ihm etwas von mir aus: Es gibt nichts umsonst. Liebe hin oder her. Hörst du?« Sie hielt Dimity am Arm fest, und Dimity versuchte, sich loszureißen. »Und du, Mitzy – du musst was verdienen. Du bist jetzt alt genug. Wenn er für deine Ge sellschaft nichts bezahlen will, kenne ich einige Männer, die gern dazu bereit wären. Allein deine Jungfräulichkeit könnte uns glatt über den Winter bringen.« Ihre Stimme war so gefühllos wie ihre Miene, und ihre Worte erinnerten Mitzy an die Männer in Fes mit ihren dunklen Gesichtern und zornigen Augen, die offenen Münder über ihr und harte Hände, die sie festhielten und ihr alles nehmen konnten. Sie wollte vor ihrer Mutter davonlaufen, genau wie vor diesen Männern damals. Es war wie in einem Albtraum – aber wohin hätte sie denn laufen sollen?
    Dimity stellte sich vor, wie Charles an die Tür ihres Häus chens klopfte mit diesem gierigen Ausdruck in den Augen, den sie

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