Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
hatte sich das Haar zu zwei Zöpfen geflochten, die vorn über ihre Schultern hingen, dick und glänzend.
»Schön, dass du wieder da bist«, sagte sie lächelnd. »Hast du dich verlaufen? Wir haben uns alle solche Sorgen um dich gemacht … Wir dachten schon, du wärst entführt worden!«
»Verlaufen … Ja. Ich dachte, ich … Wie bin ich denn wieder hierhergekommen?«
»Daddy hat dich gefunden. Er hat dich hergebracht. Warte einen Moment – ich sollte meinen Eltern sagen, dass du wach bist. Der Arzt hat gesagt, wenn du bis heute Abend nicht wieder zu dir kommst, müssten wir ihn wieder holen, also gehe ich lieber schnell. Kommst du kurz allein zurecht?«, fragte sie. Dimity nickte stumm, und Delphine lächelte wieder. »Hier bist du in Sicherheit. Aber du hast eine große Beule am Kopf!« Sie stand auf, ging hinaus und nahm die Schüssel mit Dimitys Erbrochenem mit.
Dimity hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so elend gefühlt. Ihr Kopf pochte, ihr ganzer Körper schmerzte wie zerschlagen, und sie war schwach wie ein neugeborenes Kätzchen. Der Raum drehte sich und schwankte, und obwohl die heiße, trockene Luft in ihrer Kehle kratzte, zitterte sie. Ihre Haut fühlte sich wund an. Es klopfte leise an der Tür, und sie öffnete sich mit leisem Quietschen. Als sie Charles sah, versuchte Dimity sich aufzusetzen, obwohl sie dabei vor Schmerz das Gesicht verzerrte.
»Nein, bleib liegen, Mitzy«, sagte er und blieb am Fußende ihres Bettes stehen. Dimity rutschte vorsichtig rückwärts und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Sie senkte den Blick und sah, dass sie immer noch ihre blutverschmierte, staubige Kleidung trug. »Wie fühlst du dich?«
»Ich glaube … Ich glaube, ich muss sterben«, flüsterte sie kläglich, denn seit sie sich aufgesetzt hatte, schwappte ihr Hirn wie zähflüssige Suppe in ihrem Kopf. Charles lachte leise und setzte sich neben sie.
»Du hast uns einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Warum, um alles in der Welt, bist du einfach so davongelaufen?«
»Ich … Celeste …« Sie fand keine Möglichkeit, es ihm zu erklären, und gab auf. Charles’ Gesicht schwamm auf sie zu, nah genug, um sie zu küssen, und wich dann wieder zurück. »Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte sie. Sie hatte davon geträumt, dass er sie retten würde, und dieser Traum war wahr geworden.
»Nur unter größten Schwierigkeiten, muss ich sagen. Ich bin immer im Kreis um das Haus herumgelaufen, jedes Mal ein Stückchen weiter nach außen. Stundenlang habe ich gesucht, und dann habe ich den Aufruhr gehört …«
»Ich – habe mich verirrt«, sagte sie und blickte schüchtern zu ihm auf. »Haben Sie sich Sorgen um mich gemacht?«
»Natürlich habe ich mir Sorgen gemacht, Herrgott! Wie ist das mit deinem Kopf passiert? Es hat dich hoffentlich niemand geschlagen, oder?«
»Oh, diese Männer!«, keuchte sie, als sie sich wieder an alles erinnerte. »Ich habe versucht, unter der Schranke durch zuschlüpfen, um von diesen schrecklichen Männern fortzukommen, und da habe ich mir den Kopf gestoßen …«
»Du hast versucht, hinter die Absperrung zu kommen? In die Moschee?« Charles runzelte die Stirn.
»Na ja, ich … Ich wollte nur weg von dort … Alle haben mich angeschrien und wollten mich packen!«
»Sie wollten dir sagen, dass du dort nicht hindarfst, du Dummerchen! Und die Straße hinter der Absperrung dürfen Nichtmuslime absolut nicht betreten. Um diese Tageszeit dürfen auch Frauen nicht dorthin, von unverschleierten Frauen ganz zu schweigen. Da hast du wirklich den Vogel abgeschossen, Mitzy!« Charles seufzte, dann lächelte er milde. »Kein Wunder, dass die Leute so außer sich waren.«
»Das wollte ich nicht! Das wusste ich doch nicht!«, rief Dimity. »Ich dachte, sie wollten mich umbringen!«
»Ach was, natürlich wollte dich niemand umbringen. Sie wollten verhindern, dass du eine schreckliche Gotteslästerung begehst. Das Ganze war ein Missverständnis, aber es muss sehr beängstigend für dich gewesen sein, das verstehe ich.« Dimity biss sich auf die Unterlippe, und Tränen traten ihr in die Augen. Sie versuchte nicht, sie zu verbergen.
»Es tut mir leid, dass ich Ihnen solche Umstände mache. Und dass ich Ihnen Sorgen bereitet habe.«
»Mach dir deswegen keine Gedanken. Wir sind nur froh, dich sicher und wohlbehalten wieder bei uns zu haben. Celeste und die Mädchen hatten solche Angst um dich.«
Als er Celeste erwähnte, sank Dimity innerlich zusammen. Sie blickte auf ihre
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