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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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irgendwie nach Blacknowle durchgeschlagen.«
    »Du meinst, er ist desertiert?«
    »Ja. Dimity hat mir erzählt, dass er ganz glücklich damit war, hierzubleiben. Sehr glücklich sogar. Dass er auf keinen Fall dorthin zurück wollte. Sich für die nächsten Jahrzehnte irgendwo zu verstecken erscheint einem im ersten Moment ein bisschen extrem, aber für mich hat es sich so angehört, als hätte er eine Art Nervenzusammenbruch erlitten. Posttraumatische Belastungsstörung würde man das heute wohl nennen. Und nach einer gewissen Zeit hat man wahrschein lich gar nicht mehr das Gefühl, dass man sich versteckt, weil man – eben einfach so lebt, kann ich mir vorstellen.«
    Hannah stand auf, holte die Cognacflasche und schenkte ihnen beiden nach, obwohl nur sie ihren Becher schon geleert hatte. Zach kostete und verzog das Gesicht.
    »Ich kann das alles kaum glauben«, sagte er kopfschüttelnd. »Wie ist es möglich, dass er wieder hierherkam? Wer wurde denn in Frankreich begraben, wenn es nicht Charles war?«
    »Wer dort begraben wurde? Kannst du es nicht erraten?«, entgegnete Hannah. Zach überlegte angestrengt, doch ihm fiel nichts ein.
    »Nein. Wer war es? Wen haben sie 1940 beerdigt im Glauben, er sei Charles?« Hannah betrach tete ihn einen Moment lang, prüfend glitt ihr Blick über sein Gesicht.
    »Dennis«, sagte sie dann. »Sie haben Dennis begraben.«
    Charles vertraute es Dimity bei einem seiner Ausbrüche an – die waren sehr selten. Normalerweise sprach er nur über seine Zeichnungen, bat um Material oder sagte ihr, worauf er Appetit hatte. Mal gierte er nach Kirschen, am nächsten Tag nach französischer Zwiebelsuppe. Einmal wollte er Räucherlachs, und Dimity überlegte verzweifelt hin und her und baute schließlich in tagelanger Arbeit ein Räucherfass im Hinterhof, weil es in den Läden keinen Räucherlachs gab – und selbst wenn, hätte sie sich so etwas niemals leisten können. Was dabei herauskam, war eine zähe, viel zu trocken geratene Forelle. Das Fleisch war beinahe ledrig, doch Charles aß es, ohne sich zu beklagen, und lächelte dankbar. Da fragte Dimity sich, ob sie sich die Mühe nicht hätte sparen können. Wenn sie ihm frischen Hering vorgesetzt und ihn als Räucherlachs ausgegeben hätte, hätte er ihn vielleicht ebenso genüsslich verspeist. Aber sie wollte gar nicht versuchen, ihn zu täuschen. Sie bemühte sich immer, ihm alles zu geben, worum er sie bat. Ihn glücklich zu machen war alles, was sie für ihn tun konnte, und für sich selbst. Ihn zu beschützen milderte das Gefühl, in die Tiefe zu stürzen, mit dem sie immer noch aufwachte, Tag für Tag.
    Doch manchmal hatte er Albträume. Wenn seine Schreie sie weckten, stürzte sie in sein Zimmer, um ihn zu beruhigen, um seinetwillen, aber auch für den Fall, nur für den Fall, dass zufällig jemand in der Nähe sein sollte, der ihn hören konnte. Wenn sie hereinkam, war er meistens schon aus dem Bett gesprungen, lief auf und ab und krallte die Finger in sein Haar oder wischte sich die Hände am Körper ab, als klebte etwas Ekelhaftes daran. Sie folgte ihm und umarmte ihn fest und ließ auch nicht los, wenn er versuchte, sie von sich zu stoßen. Sie brachte ihn zurück auf die Erde, an die Küste von Dorset, dorthin, wo er wirklich war. Sie hielt ihn hier fest, bis er das Tosen der Brandung durch die Knochen des Hauses spürte und erschlaffte. Dann erzählte er ihr, was er gesehen hatte, wer ihn im Schlaf besucht hatte. Ein Sturzbach von Worten schoss aus ihm hervor – ein reinigender Prozess, für die Heilung ebenso wichtig wie das Abfließen von Eiter aus einer Wunde.
    Und oft war es Dennis, den er gesehen hatte. Die nackten, halb verkohlten Überreste eines jungen britischen Soldaten. Die tödliche Explosion hatte seine Kleidung verbrannt und ihm nur die Schuhe gelassen, die noch qualmten. Er lag im hohen Gras gut zehn Meter von dem Krater entfernt. Charles stolperte über ihn auf seiner verbissenen, verzwei felten Flucht nach Norden, zur Küste. Keine Spur mehr von seiner Uniform, kaum noch Haut. Er war so schwer verbrannt, dass seine Augenlider ebenso wie die Lippen nicht mehr vorhanden waren. Seine Zähne schimmerten in einem leicht geöffneten Mund, als sei er milde überrascht über sei nen eigenen Tod. Ein Augapfel war schwarz verkohlt und zerfallen, doch die linke Seite seines Gesichts musste von dem Einschlag abgewandt gewesen sein. Sie war beinahe intakt, mit einem lidlosen, wachsamen Auge. Die Iris war von einem satten

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