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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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eine Warnung oder schlichte Schadenfreude war, konnte sie nicht erkennen.
    Zach klopfte. Dann lauschte er aufmerksam an der Tür und versuchte, neben dem Rauschen des Meeres und dem Rascheln der Brise das Geräusch einer Bewegung aus dem Inneren wahrzunehmen. The Watch war ein längliches, niedriges Häuschen, dessen oberes Stockwerk weit in die Dach schräge reichte. Das Strohdach war dunkel und an manchen Stellen bereits tief eingesackt. Lange Grasbüschel und Vergissmeinnicht wucherten am Rand und um die Schornsteine herum. Zach wusste herzlich wenig über Strohdächer, aber es war offensichtlich, dass dieses hier dringend erneuert werden müsste. Die gemauerten Wände waren weiß getüncht, und von der Eingangsseite schaute man nach Westen einen langen, sanften Abhang hinab. In dem Tal dort unten, etwa einen Kilometer entfernt, konnte Zach ein Stück von einem Bauernhof sehen. Der Pfad, der von Norden her seitlich auf das Cottage zu führte, war trocken und steinig, sah aber aus, als könnte ein kräftiger Regenguss ihn augenblicklich in Matsch verwandeln. Hinter dem Haus lag ein Garten, von einer hohen Mauer umschlossen, und auf deren anderen Seite ragte ein Grüppchen Buchen und Eichen auf, die noch aus einem früheren Jahrhundert stammten. Die Brise flüsterte in diesen Bäumen, ließ die trockenen Blätter rascheln und kündete vom nahenden Herbst.
    Zach klopfte noch einmal an, lauter diesmal. Wenn niemand zu Hause war, stand er wieder ganz am Anfang und würde völlig umsonst eine Übernachtung bezahlen müssen. Er wandte sich ab und bewunderte die herrliche Aussicht. Die Felsenklippen, nicht weit vom Haus entfernt, waren hier höher, vielleicht zehn, zwölf Meter. Wenn er den Abhang hinabschaute, konnte er die Landstraße sehen, die er vorhin entlanggefahren war. Sie folgte dem kleinen Tal bis zu dem Punkt, wo das Land sich ins Meer neigte. Ein Wanderweg führte von der Ostseite des kleinen Parkplatzes hoch zum Ort, landeinwärts über Weiden, und querte den Weg zu The Watch ein Stück weiter oben. Er fragte sich, warum der Pfad nicht einfach am Rand der Klippe entlang verlief, und beugte sich zurück, um einen Blick um die andere Seitenwand des Hauses zu werfen, als die Tür einen Spalt aufging.
    Das Gesicht, das zu ihm herausspähte, war blass und faltig, die Augen voller Angst. Eine alte Frau mit einer kräftigen Mähne weißer Haare, die ihr offen ums Gesicht hing. Die Wangen waren schlaff und tief zerfurcht, und sie hatte einen kleinen Buckel, der sie zwang, den Kopf leicht zu drehen, um zu Zach aufzublicken. Sie trat einen Schritt zurück, als sich ihre Blicke trafen, als hätte sie es sich anders überlegt und wolle die Tür wieder zuschlagen, doch dann erstarrte sie. Haselnussbraun gesprenkelte grüne Augen beäugten ihn so argwöhnisch, so zweifelnd.
    »Hallo … Bitte entschuldigen Sie die Störung.« Er machte eine Pause für den Fall, dass sie ihn begrüßen wollte, doch ihr Mund blieb geschlossen. Ein breiter Mund, schmallippig, doch die Andeutung eines feinen Schwungs, einer ganz leicht hervortretenden Oberlippe war noch erkennbar. »Äh, mein Name ist Zach Gilchrist, und man hat mir gesagt … Also, ich hatte gehofft, dass ich mich kurz mit Ihnen über etwas unterhalten dürfte? Sofern ich nicht ungelegen komme und Sie ein wenig Zeit haben?« Eine lange Pause entstand, und Zachs höfliches Lächeln fühlte sich allmählich zu schwer für sein Gesicht an. Er hatte Mühe, es aufrechtzuerhalten. Die Brise strich durch den Türspalt hinein und hob einzelne Strähnen vom weißen Haar der Frau, bewegte sie sacht wie Seetang unter Wasser.
    »Zeit haben?«, fragte sie schließlich leise.
    »Ja, falls Sie gerade beschäftigt sind, könnte ich – ein andermal wiederkommen? Vielleicht?«
    »Wiederkommen?«, echote sie, und nun verblasste Zachs Lächeln, denn er fürchtete, dass die alte Frau geistig verwirrt war und nicht verstand, was er sagte. Er atmete tief durch und machte sich bereit, sich von ihr zu verabschieden. Enttäuschung packte ihn. Dann sprach sie wieder. »Worüber wollen Sie sich unterhalten?« Sie sprach einen so starken Dorset-Dialekt, dass die Worte in seinen Ohren wie ein Summen klangen und er Mühe hatte, der eigenartigen Kadenz zu folgen. Zach erinnerte sich an Pete Murrays Ratschlag – dass er es geschickt anstellen müsse. Er hatte keine Ahnung, welches Vorgehen hier das richtige sein mochte, und entschied sich spontan für die Familiengeschichte als Aufhänger.
    »Meine

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