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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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flatternden Haar und den kräftigen Händen, die Dimity sicher festhielten, als wüsste die Kleine, was Dimity sonst tun würde. Wohin sie gehen könnte. Irgendwann später war sie wieder im Haus ohne jede Erinnerung daran, sich dorthin bewegt zu haben, und The Watch war so düster und still wie ein Grab.

12
    Der Morgen weckte Zach, der mit dem Kopf auf Dimitys Küchentisch gedöst hatte. Scharfes Sonnenlicht stach ihm in die Augen, und er hob vorsichtig den Kopf. Der war schwer vor Schlafmangel und der Last seiner Gedanken. Sein Schädel fühlte sich an wie eine Eierschale, die nur allzu leicht bersten könnte, so viele neue Dinge waren in den vergangenen vierundzwanzig Stunden hineingestopft worden. Er war allein in der Küche, umgeben von kalten, kleb rigen Bechern, die nach saurer Milch und Cognac rochen. Er füllte den Kessel, setzte Wasser auf, trank ein großes Glas Wasser und ging hinüber ins Wohnzimmer. Hier hatte er Hannah zuletzt gesehen, in den Sessel gegenüber den Sabris gekuschelt, die Pulloverärmel über die Hände herabgezogen und die Lippen im Schlaf so niedlich geschürzt, dass er sie am liebsten geküsst hätte. Jetzt war der Raum leer. Zach rieb sich die Augen und versuchte, endlich richtig wach zu werden.
    »Hannah? Ilir?«, rief er die Treppe hinauf, doch es kam keine Antwort. Dann hörte er draußen ein Geräusch und öffnete die Haustür.
    Hannahs Jeep stand mit laufendem Motor und offenen Türen vor dem Häuschen. Rozafa und Bekim saßen schon auf dem Rücksitz, und Hannah hievte gerade zwei Reise taschen in den Kofferraum. »Hallo! Was ist los?«, fragte Zach und zitterte in der kühlen Morgenluft vor Erschöpfung. Hannah schaute ein wenig erschrocken zu ihm her über.
    »Ich fahre sie zum Bahnhof. Ich wollte dich nicht wecken«, erklärte sie, ließ die Segeltuchtaschen in den Kofferraum fallen und kam mit den Händen in den Taschen zu ihm her über. Zach hob eine Hand, um die Augen gegen die Morgensonne zu schützen.
    »Ist das nicht gefährlich? Meinst du nicht, dass die Polizei dich noch beobachtet?«
    »Ich glaube nicht. Ich habe mit James gesprochen. Sein Haus haben sie gestern Nacht auch durchsucht und nichts gefunden. Er glaubt nicht, dass sie noch in der Nähe sind. Bei mir haben sie sich gestern ja sogar noch wortreich entschuldigt, als sie nichts gefunden haben.« Sie lächelte ihm kurz zu.
    »Brauchst du lange?«
    »Nein. Wir fahren nur zum Bahnhof nach Wareham. Ilir bringt die beiden nach Norden, nach Newcastle. Er hat Freunde dort – na ja, jedenfalls jemanden, den er von zu Hause kennt. Der wird sie erst einmal aufnehmen und ihnen helfen, sich zurechtzufinden. Und mein Schwager ist dort, er ist Arzt. Er wird ihnen helfen, Asyl zu beantragen, und Bekims Chelat-Therapie einleiten …«
    »Seine was?«
    »Hör mal, ich habe jetzt keine Zeit, dir das alles zu erklären. Der Zug fährt in vierzig Minuten. Sie sollten eigentlich ein paar Tage bei mir bleiben und sich ausruhen, ehe es weitergeht, aber nach gestern Nacht halten wir es für besser, nicht so lange zu warten«, sagte sie. Zach nahm ihre Hand, hielt sie offen in seiner und betrachtete sie. Klein und nar big, kurze, teils abgebrochene Fingernägel mit Schmutz rändern, Schwielen an den Handgelenken und Fingerbal len. Harte Hände, an Arbeit im Freien gewöhnt – Hände, die in einer völlig anderen Welt lebten als er.
    »Soll ich mitkommen?«, fragte er.
    »Nicht nötig. Bleib du bei Dimity. Sieh dir die Bilder an«, sagte sie mit einer seltsam klingenden Stimme.
    »Gut. Dann sehen wir uns, wenn du zurückkommst.«
    »Ich komme wieder, sobald sie abgefahren sind. Ungefähr in anderthalb Stunden. Dann unterhalten wir uns.« Sie wandte sich gerade ab und ging zurück zum Wagen, als Ilir auf Zach zukam.
    Zach wartete nervös darauf, was der Rom sagen würde. Sein Kiefer schmerzte noch von dem Schlag, den er in der vergangenen Nacht abbekommen hatte. Bei dem Gedanken hob er automatisch die Hand und rieb über die empfindliche Stelle, an der sich ein Bluterguss bildete. Ilir lächelte schwach.
    »Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe, Zach«, sagte er. »Aber verstehst du, ich hatte große Angst.«
    »Ist schon gut.«
    »Nein, es tut mir wirklich leid. Du hast uns geholfen … Ich bin dir sehr dankbar.« Ilirs Gesicht war müde und noch von der Prügelei gezeichnet, aber Zach hatte ihn noch nie so glücklich gesehen. Er strahlte eine Art inneren Frieden aus, als hätte die Trennung von Frau und Kind immerzu an

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