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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Gedanken ging er rasch all die Bücher durch, die er über Aubrey gelesen hatte. Die meisten konzentrierten sich auf sein Leben in London, seine Kindheit in Sussex, seine Beziehung zu Celeste – auf Aubrey, den Bohemien. Ein paar Autoren erwähnten auch Blacknowle und Dimity Hatcher, aber nur im Zusammenhang mit der künstlerischen Darstellung und der Bedeutung für sein Gesamtwerk. Nein, Zach war sicher – keiner der Aubrey-Biografen hatte jemals mit Dimity persönlich über den Maler gesprochen. Er lächelte in sich hinein und fragte sich, was um alles in der Welt sie mit einem Ochsenherz und Nadeln vorhaben mochte.
    Statt den Weg zurück zum Dorf einzuschlagen, wandte er sich in Richtung Meer und ging etwa hundert Meter weiter bis zum Rand der Klippe. Er trat so dicht heran, wie er es wagte – der grasbewachsene Rand krümmte sich außer Sicht, und er fürchtete, mit dem nächsten Schritt könnte er nur noch auf einer dünnen Schicht Erde stehen und jeden Moment abrutschen. Niedrige Wellen brachen sich zischelnd an Felsbrocken, die von der Klippe her steil ins Wasser abfielen. Er konnte keinen Weg erkennen, der dort hinunterführte, und die Felsen sahen gefährlich aus – scharf kantig und halb unter dem schäumenden Wasser verborgen. Keine gute Badestelle. In den Pausen zwischen zwei Wellen zog das Wasser sich seufzend zurück. Er schaute nach Osten und verstand jetzt, weshalb der Wanderweg hier landeinwärts abbog. Die Bäume hinter dem Häuschen wuchsen am Rand einer steilen Rinne im Fels, einer kleinen Schlucht, die etwa siebzig Meter weit ins Land einschnitt. An ihrem Ausgang lag ein winziger Kiesstrand, leer bis auf das angeschwemmte Strandgut. Kein Weg konnte dort hinunter führen – die Wände der Schlucht waren fast senkrecht. Große weiße Möwen hockten am Rand und ruhten sich aus, manche schliefen auf einem Bein, den Kopf unter einen Flügel gesteckt. The Watch war also auf zwei Seiten vom Meer umgeben und stand ganz allein auf seiner eigenen kleinen Halbinsel.
    Zach blieb eine Weile dort stehen und blickte hinaus auf die flache Wasserfläche. Er dachte an Elise. Was hatte die Küste an sich, das Kinder so sehr liebten? Das Erwachsenen das Gefühl gab, lebendiger zu sein als sonst? Vielleicht war es der ferne Horizont, der Kümmernisse in einer anderen Perspektive erscheinen ließ, oder das Licht, das nicht nur vom Himmel kam, sondern auch aus dem Boden zu leuchten schien. Ali und er waren oft mit Elise am Strand gewesen, im Urlaub in Italien oder Spanien. Damals, als sie noch ein Paar gewesen waren, als ihre Namen behaglich zusammenpassten, sodass sie einem ganz selbstverständlich von der Zunge rollten. Zach und Ali . Doch Elise schien die britischen Küsten noch mehr zu mögen, sich eher nach See tang und Gezeitentümpeln in felsigem Grund zu sehnen als nach heißer Sonne und feinem, hellem Sand. Einmal hatte sie minutenlang geduldig und völlig gefesselt zugesehen, wie Zach Wasser aus einem Eimerchen über ein paar Napfschnecken laufen ließ. Er begoss sie in regelmäßigen Abständen, bis die Tiere glaubten, dass die Flut kam, und zum Leben erwachten. Als sie sich zu bewegen begannen, schnappte Elise nach Luft, denn bis zu diesem Moment hatte sie nicht recht geglaubt, dass die Napfschnecken lebendig waren – weil sie sich völlig reglos an den Felsen klammerten, wirkten sie eher so, als seien sie ein Teil des Gesteins. Allerdings schafften Elise und er es nicht, eine vom Stein zu lösen, denn sobald man sie berührte, hefteten die Tiere sich wieder fest daran. Elise war empört, versuchte es immer wieder und grub die kleinen rosigen Fingernägel zwischen Fels und Schnecke, bis Zach ihr sagte, dass sie den Tieren Angst mache und lieber aufhören sollte. Da strich sie stattdessen sacht mit den Fingerspitzen darüber und entschuldigte sich – entschuldigte sich bei ein paar Napfschnecken dafür, dass sie ihnen Angst eingejagt hatte.
    Zach wandte sich ab, ging am Haus vorbei und war gerade auf der Höhe der Tür, als eine Bewegung unten im Tal links von ihm seine Aufmerksamkeit erregte. Er blieb stehen und schaute den Abhang hinunter zu dem Bauernhof. Vier oder fünf Scheunen und Ställe in verschiedenen Größen waren um zwei Höfe mit Betonboden herum gruppiert, der eine ziemlich groß, der zweite wesentlich kleiner. Das Wohnhaus war quadratisch und weiß gestrichen. Es stand ein Stückchen weiter in Richtung Dorf, dem Häuschen auf der Klippe zugewandt. Die Haustür saß genau in der Mitte

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