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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Welt jenseits von Blacknowle sein könnte, jenseits von Dorset. Ihr Wunsch, sie zu sehen, wuchs mit jedem Tag, er pulsierte schmerzhaft und drängend wie ein fauler Zahn und war ebenso schwer zu ignorieren.
    Ihr wurde bewusst, dass Charles und Celeste auf ihre Ant wort warteten, und sie fand aufrichtige, aber dennoch vage Worte.
    »Meine Wurzeln sind hier, und sie sind sehr tief«, sagte sie, woraufhin Charles befriedigt nickte und Celeste einen Blick zuwarf. Doch die beobachtete Dimity noch einen Mo ment lang, als könne sie die gewaltige, unausgesprochene Wahrheit hinter diesen Worten lesen. Falls es so war, sagte sie jedoch nichts, sondern streckte die Hand nach Élodies leerem Teller aus. Das Kind reichte ihn ihr wortlos.
    »Wo sollen wir hingehen, Mitzy? Welcher Ort in der Umgebung hat die stärkste volkstümliche Bedeutung? Da gehen wir hin, und ich male dich inmitten der alten Magie«, sagte Charles. Dimity spürte, wie sie sich innerlich ein wenig aufrichtete vor Stolz darüber, um Rat gefragt zu werden. Dann wurde ihr klar, dass sie keine Ahnung hatte, was sie vorschlagen sollte, und auch nicht genau wusste, was er mit der alten Magie meinte. Hastig überlegte sie.
    »Die Sankt-Gabriels-Kapelle«, stieß sie dann hervor. Das war eine Ruine in einem Wäldchen auf einem Hügel, in der es angeblich spukte. Die Jungen aus dem Dorf trieben sich dort nachts herum. Es galt als Mutprobe, eine Nacht ganz allein dort zu verbringen, ohne Lagerfeuer oder Taschenlampe in den feuchten grünen Mauerresten auszuharren und allerhand unheimlichen Stimmen im säuselnden Wind zu lauschen.
    »Ist das weit von hier?«
    »Nein. Eine Stunde zu Fuß, würde ich sagen«, antwortete sie.
    »Wir gehen gleich heute Nachmittag hin. Ich möchte mir die Stelle ansehen, ein Gefühl dafür bekommen.« Aus seinem Gesicht strahlte eine Art Leidenschaft, eine lebhafte, intensive Begeisterung. »Kann deine Mutter denn ohne dich auskommen?«
    »Wenn sie Geld dafür bekäme, würde sie bis in alle Ewigkeit ohne mich auskommen«, murmelte Dimity und kam sich dann dumm vor. Sie erinnerte sich daran, wie idealisiert sie ihre Mutter im vergangenen Sommer beschrieben hatte und dass nur Charles Valentina schon begegnet war – nur er wusste, dass Dimity bestenfalls die halbe Wahrheit über ihre Mutter gesagt hatte. »Also, ich meine … Sie …«, stammelte Dimity, doch Celeste streckte die Hand aus und tätschelte Dimitys Handrücken.
    »Nur ein Narr würde Geld gegen etwas Unbezahlbares eintauschen.« Sie lächelte, doch als sie zu Charles aufblickte, verblasste das Lächeln. »Du wolltest heute Nachmittag mit den Mädchen nach Dorchester fahren. Und ihnen neue Sandalen kaufen.«
    »Das eilt doch nicht, oder? Wir fahren eben morgen, Mädchen«, sagte er zu den beiden und nickte bekräftigend.
    »Das hast du gestern auch schon gesagt«, protestierte Delphine sanft. »Meine Zehen ragen vorne so weit heraus, dass sie den Boden berühren.«
    »Morgen, ich verspreche es euch. Das Licht ist heute einfach perfekt. Viel weicher als in den letzten Tagen.« Er sprach beinahe wie zu sich selbst, den Blick auf die Tischplatte gerichtet. Dimity spürte einen bohrenden Blick und merkte, dass Celeste sie mit einem seltsamen Gesichtsausdruck beobachtete. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte Celeste und fuhr fort, die Teller einzusammeln, doch nicht schnell genug, als dass sie Dimity hätte täuschen können. Celeste hatte besorgt dreingeschaut. Beinahe ängstlich.
    Drei Wochen lang blieb das Wetter schön, mit warmem Sonnenschein und sanften Brisen. Charles fuhr sie alle zum Golden Cap im Westen, der höchsten Klippe an der Küste von Dorset. Sie stiegen mit schweren Körben voller Köst lichkeiten durch Wälder und Felder hinauf und schwitz ten ihre Kleidung durch. Dann kamen sie plötzlich auf der Kuppe heraus, empfangen von frischerer Luft und einer unbegrenzten Aussicht, die ihnen den Atem verschlug.
    »Ich kann Frankreich sehen!«, rief Élodie, die ihre Augen mit beiden Händen gegen die Sonne beschirmte.
    »Nein, kannst du nicht, du Dummchen«, sagte Delphine kichernd.
    »Was ist dann das da?«, protestierte ihre Schwester und deutete auf den Horizont. Delphine spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne. »Eine Wolke«, erklärte sie.
    »Keine Wolken heute. Das habe ich so entschieden«, verkündete Celeste, die gerade eine gestreifte Decke auf dem Boden ausbreitete und das Picknick auspackte.
    »Ha! Dann muss es doch Frankreich sein«, sagte Élodie

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