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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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dir?«
    »Beim Kollegen. Ich … äh … war nicht da.«
    Sie schnaubte durch die Nase. Die Berliner hörten auf ihre Chefs – der Fall war totgemacht worden.
    »Und? Hat dir der Kollege mitgeteilt, was Steinhoff wollte?«
    Rohwe lachte unbehaglich. »Er hat ihn nicht ganz verstanden.«
    »Dachte ich mir. Was hat er denn verstanden?«
    »Offenbar wollte Steinhoff die Anzeige zurückziehen.«
    »Geht doch gar nicht.« Versuchte Tötung war ein Offizialdelikt. Die Kripo hätte in jedem Fall weiterermitteln und die Staatsanwaltschaft einschalten müssen.
    »Weiß er wohl nicht.«
    »Oder der Kollege hat ihn falsch verstanden.«
    »Wir tippen auf Letzteres.«
    »Ihr wollt das abklären, wenn Steinhoff wieder anruft?«
    »Genau.«
    »Und bis dahin kümmert ihr euch um die Brandstiftung in Schnackendorf.«
    Rohwe sagte nichts.
    »Dafür bist du zur Kripo gegangen? Um wegzuschauen?«
    Er räusperte sich. Sie rechnete mit Protest oder einem unverständlichen Berliner Fluch, doch nichts dergleichen kam, er sagte nur: »Schmargendorf.«
    Der Regen war stärker geworden. Sie löste sich von der Säule, trat tiefer in den Schutz der Überdachung.
    Sag was, Ebbe.
    »Mal angenommen ...«, sagte Ebbe und brach ab. Seine Stimme klang distanziert, aber nicht unfreundlich. Der Zwiespalt war deutlich zu spüren: Mitmachen oder auflegen?
    »Mal
was
angenommen?«
    »Dass du die zentrale Frage aus dem Blick verlierst.«
    »Und die wäre?«
    »Warum Steinhoff im Hotel war.«
    Er hatte recht. Zwölf Zimmer auf der dritten Etage, acht davon vermietet. Doch nur in zwei Zimmern hatten sich am Samstagnachmittag Gäste befunden – Esther Graf in 34 , der Tatverdächtige in 35 . Was, wenn gar nicht Steinhoff im Mittelpunkt stand, sondern Graf? Oder der Mann aus Zimmer 35 ? Wenn Steinhoff deswegen im Hotel gewesen war?
    »Und wir wissen wirklich nichts über den Kerl aus der 35 ?«
    »Wir?«
    »Na ja,
ihr

    »Nein, nichts.«
    »Ach komm, Ebbe. Irgendwas müsst ihr doch haben.«
    Rohwe holte tief Luft. »Gib mir fünf Minuten.«
     
    Knapp vier Minuten später rief er zurück. Seine Stimme ging im Verkehrslärm fast unter, er stand im Freien. Wenn schon nicht korrekt, dachte sie, dann wenigstens nicht innerhalb der heiligen Hallen.
    Die ersten Informationen der Techniker zu Zimmer 35 waren am Mittag eingetroffen. »Keine Fingerabdrücke. Weder auf den Türklinken, noch auf den Badarmaturen, noch auf der Drückerplatte oder dem Deckel der Toilette.«
    »Die Zimmermädchen haben sich Mühe gegeben.«
    »Und die Türklinken abgewischt?«
    »Na ja, wir sind in Berlin, hier ist doch alles möglich, oder?«
    Rohwe lachte nicht. »Ein gefälschter Ausweis, keine Fingerabdrücke … Das Zimmer wurde professionell gesäubert.«
    »Ein bisschen weit hergeholt.«
    »Wir haben auch keine Fasern, Haare oder Hautpartikel auf Kopfkissen, Bettlaken, Decke gefunden.
Keine,
Louise. Das Zimmer wurde gesäubert. Die Frage ist: von wem? Von ihm selbst, nachdem er Steinhoff verprügelt hat? Die Zeit wird er sich nicht genommen haben. Also von dem zweiten Mann. Er räumt das Opfer aus dem Weg, dann beseitigt er die Spuren in der 35 .«
    »Na gut, gehen wir also davon aus, dass wir es mit Profis zu tun haben.«
    »Wir?«
    »Ihr.«
    »Nein«, sagte Rohwe. »Nicht wir. Du.«
    Vier Stunden bis zum Abflug, Zeit genug für MITTE / BRANDENBURGER TOR / REICHSTAG . Doch Louise Bonì und Sightseeing, das ging nicht zusammen, zumal in dieser Stadt, die nur Beton und Wolken zu bieten hatte. Also fuhr sie mit dem Bus nach Tegel, nahm an einem Imbiss eine Currywurst mit Pommes zu sich, in einem Stehcafé einen Latte macchiato, schlenderte anschließend dreimal durch den Hallenring und dachte nach. Wertheim, die Verwandten aus Kehl, Ben, die ungewisse Zukunft. Das große Ganze.
    Das Leben war zweifellos besser seit dem Entzug in Oberberg und der Entwöhnung im Kanzan-an vor gut zweieinhalb Jahren, aber etwas stimmte nicht, etwas fehlte. Sie hatte gedacht, sie wäre mittlerweile stabil, doch das war wohl ein Irrtum. Der Dienst und seit einem Jahr Ben, mehr gab es nicht. Kaum Freunde, keine Lust auf Urlaub, keine Leidenschaften. Keine Ziele, Perspektiven. Noch immer führte sie, ganz wie ihre Mutter mit siebzig Jahren, an allen Fronten Kämpfe, als spürte sie sich nur im Widerstand. Kein Innehalten, kein Entspannen.
    Nein, irgendetwas stimmte nicht.
    Vielleicht, dachte sie, als sie schließlich am Gate saß, waren die Entscheidung, Mick zu heiraten, der Alkohol, die Selbstaufgabe

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