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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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im Dienst, der fortwährende Kampf gegen alles und jeden nur Versuche davonzulaufen – wovor auch immer.
    Im Zweifel natürlich vor sich selbst.
     
    Gegen neunzehn Uhr landete sie in Karlsruhe / Baden-Baden. Kein Novemberregen mehr, kein Nebel, stattdessen war es überraschend mild, und von den Zuständen und Zweifeln keine Spur mehr. Gut gelaunt ging sie zum Polizeiposten am Flughafen, holte ihren Wagenschlüssel. Ein
paar schwache Stunden in Berlin, das kam vor, das durfte nicht überbewertet werden. Sie war eben ein Südmensch, im Norden gerieten Körper und Seele aus dem Tritt.
    Aber man war besser wachsam. Ging vielleicht mal wieder auf einen Kaffee mit Katrin Rein, der blonden Lieblingspsychologin.
    Als sie eben ins Auto gestiegen war, rief Bermann an. »Wo bist du?«
    »In Karlsruhe.«
    Er brummte zufrieden. Keinen Tag drangehängt in Berlin, keine Chefs verärgert, keine drohenden Beschwerden aus der Hauptstadt.
    »Wie war der Türkenmarkt?«
    »Wunderbar, danke für den Tipp.«
    »Ich wusste, dass er dir gefällt. Was gekauft?«
    »Ganze Tüten voll. Blaue Halstücher, rote Halstücher. Herzanhänger, Plüschtiere und so was.«
    »Musst du mir bei Gelegenheit mal zeigen.«
    »Morgen, wenn du möchtest.«
    »Braves Mädchen.«
    Sie lächelte widerwillig. Vielleicht war das Bermanns neue Strategie: Scheingespräche führen. Nicht mehr aufregen.
    »Wir haben einen Einbruch für dich.«
    »Wie schön.«
    »Eine Villa in Günterstal, da kennst du dich ja aus.« Sie hörte ihn glucksen. Der Fall Asile d’enfants hatte sie Anfang 2003 nach Günterstal geführt, zu Richard Landen. Sie war für eine Weile – eineinhalb Jahre, genau gesagt – an Landen hängengeblieben. Bis heute war nicht klar, was Rolf Bermann daran nicht gepasst hatte – dass Landen ein Intellektueller war oder dass sie sich in ihn verknallt hatte.
    »Ich werde morgen mit Esther Graf sprechen, Rolf.«
    »Esther wer?«
    »Esther Graf. Die Zeugin.«
    Sie ließ den Motor an, steckte das Handy in die Freisprechvorrichtung. »Nur um das abzuschließen. Esther Graf ist in Freiburg.«
    »Red lauter, ich versteh dich nicht.«
    Sie schwieg.
    »Was für ’ne Zeugin?«
    »Wir sehen uns morgen, Rolf.«
    »Um halb acht in alter Frische.«
    »Vergiss deinen Sekundanten nicht.«
    Wieder das Glucksen. Kein Zweifel: Da hatte sie einer vermisst.
     
    Eine gute Stunde später betrat sie ihre Wohnung. Keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, und die beiden Zimmer leerer als sonst. Manchmal war Ben da, wenn sie vom Dienst nach Hause kam, saß über einer Zeitung oder einem Buch oder las am Laptop Stellenanzeigen im Internet, und beim Kochen sagte er Dinge wie »Ich war heute am Bodensee, bin da spazieren gegangen« oder »Ich war in Gérardmer, hab deinem Onkel beim Absinthtrinken zugeschaut«, und gelegentlich entrutschte ihm ein »Schatz« oder ein »Süße«, und dann lachten sie überrascht.
    Sie setzte sich aufs Sofa, aß die beiden übriggebliebenen Kuchenstücke vom Vortag. Hinter all den offenen Fragen in Bezug auf Berlin schimmerte ein Gedanke auf, den sie noch nicht fassen konnte. Erst als sie den Teller in die blankgeputzte Spüle stellte, konkretisierte er sich. Kein Gedanke, sondern eine weitere Frage: Wann waren die Zimmer 34 und 35 gebucht worden?
    Sie startete den Laptop, suchte die Telefonnummer des Hotels heraus. Acht-, neunmal das Freizeichen, dann erklang eine lustlose Männerstimme. Kein Berliner diesmal, sondern ein Bayer. Minutenlang murrte und raunzte er, dann hatte der badische Charme gesiegt. Vielleicht wurde auch nur ein Weißbier schal.
    Was der Bayer aus dem Buchungsprogramm herauslas, machte ihren Ärger wett. Esther Graf hatte am 20 .Oktober per E-Mail reserviert, Zimmer 35 war zwei Tage später telefonisch gebucht worden. Ein Vermerk im Buchungsprogramm besagte, dass Friedrich Müller konkret nach diesem Zimmer gefragt hatte und auf keinen Fall in ein anderes gelegt werden sollte.
    Ein Stammgast?
    Nein. War zum ersten Mal da.
    Sie legte auf.
    Warum hatte der Unbekannte Zimmer 35 verlangt? Ihr fiel nur eine Antwort ein: weil es neben dem Zimmer von Esther Graf lag.
    Sie sah auf die Uhr. Kurz nach neun, früh genug, um eine Zeugin aufzusuchen, die nichts gesehen und wenig gehört zu haben behauptete.
    Zumindest als man sie auf sehr korrekte Weise vernommen hatte.

4
    ESTHER GRAF WOHNTE in Littenweiler am östlichen Stadtrand von Freiburg. Von der B 31 aus folgte Louise einer Straße den Hang hinauf, die geradewegs in den Wald zu

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