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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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gefreut, auf das Miteinander, hatte unendliche Lust gehabt, sich wieder in Rätsel zu verbeißen, mit den Kollegen Vierzehnstundentage abzuarbeiten. Und nun das: Wie so oft ausgebremst und allein, noch dazu in dieser riesigen, tristen Stadt.
    Sie holte die Schlüssel, eilte zur Treppe, nahm zwei Stufen auf einmal. Die Beine waren ein wenig wackelig, in den Schläfen hämmerte der Puls. Die Dämonen waren ganz offensichtlich nicht vertrieben worden, sondern saßen noch in ihr und warteten auf günstige Gelegenheiten.
    Ja, dachte sie, es gibt ein Problem, Papa, ganz gelöst ist es wohl noch nicht.
     
    Als sie im dritten Stock stand, wurde es besser. Das hatte auch früher oft geholfen: Wut, Aktion, Entschlossenheit.
    Und natürlich ein Fall.
    Ein Hamburger Journalist, der möglicherweise für den BND arbeitete, war mit einer Waffe bedroht und zusammengeschlagen worden und wollte nicht kooperieren. Der Tatverdächtige hatte unter einem falschen Namen im Hotel gewohnt. Nach der Tat war eine weitere Person erschienen und hatte das Opfer vom Treppenhaus in die Toilette geschleppt. Eine Zeugin hatte etwas gehört, aber nichts gesehen. Ein Polizeichef hatte einen Anruf erhalten und setzte seinen Ermittler an einen anderen Fall. Zu viele merkwürdige Umstände, wenn man bedachte, dass nicht allzu viel geschehen war.
    Sie stöhnte auf. Nichts in der Hand, und doch verstrickt in tausend lose Fäden. Ganz abgesehen davon, dass sie in fremden Gefilden wilderte und dass es keinen Fall mehr gab.
    In Zimmer 35 ein Schrank, ein Bett, ein Schreibtisch mit Fernseher. Eine Wand holzgetäfelt, vor dem Bad auf dem Teppich ein Wasserfleck. Ein Hotelzimmer wie viele, anonym, beliebig, lieblos eingerichtet.
    Zimmer 34 lag spiegelverkehrt und war genauso deprimierend.
    Noch einmal das Treppenhaus, dann die Toilette, überall der scharfe Geruch von Putzmitteln. Das Blut und die Schuhabdruckspuren waren längst weggewischt worden. Sie wusste, dass sie hier nicht weiterkommen würde. Erst die Kriminaltechniker, später die Zimmermädchen – hätten die einen etwas übersehen, dann hätten es die anderen gefunden.
    Sie folgte dem Flur, bog um eine Ecke. Acht weitere Zimmer. Rohwe zufolge waren sechs davon am Samstagnachmittag vermietet, die Gäste aber nicht im Hotel gewesen. Die beiden Zimmer gegenüber von 34 und 35 hatten leer gestanden.
    Sie kehrte zum Ort des Angriffs zurück. Vier Personen involviert – ein Opfer, zwei Täter, eine Zeugin.
    Und möglicherweise der BND .
    Die Täter waren verschwunden, den BND konnte man nicht fragen. Blieben Opfer und Zeugin.
    Und die Zustände, irgendwo tief in ihren Eingeweiden.
     
    Unten noch immer Schlager und keine Angestellten – ein Hotel ohne Bedienstete, ohne Gäste. Nur die Geister von Roland Kaiser oder Roberto Blanco, oder wie diese Schnulzenkönige eben so hießen.
    Sie hängte die Schlüssel an die Haken. Auf dem Weg zur Tür klingelte das Handy. »Mach bloß keinen Scheiß«, sagte Rolf Bermann ohne Gruß.
    Der Tag der strengen Chefs.
    Einen Augenblick lang war sie drauf und dran, ihn zu beschimpfen. Schon am ersten Arbeitstag nach drei Monaten Pause hatte er sie sich aus dem Weg geräumt und nach Berlin verschoben …
    Aber es tat zu gut, seine Stimme zu hören.
    »Du störst, Rolf.«
    »Fahr zum Türkenmarkt am Maybach-Ufer.«
    »Was soll ich da?«
    »Salat kaufen, Halstücher kaufen, Döner essen. Dinge tun, die normale Frauen tun. Dann fährst du zum Flughafen und kaufst Kosmetik.«
    »Haben dich die Pullacher angerufen?«
    »Nein, nur der Weeßte-Kollege.«
    Sie war im Foyer stehen geblieben, lauschte dem Klang seiner Stimme. Bermann war ein zuverlässiger Gradmesser für ihren Gemütszustand. Je schlechter es ihr ging, desto willkommener war er.
    Bewegungen jenseits der gläsernen Eingangstür ließen sie aufsehen. Eine Frau und ein Mann betraten das Hotel. Die Frau nahm ihre Brille ab, trocknete sie mit einem Taschentuch. Der Blick des Mannes streifte Louise.
    »Also, mach keinen Scheiß, ja?«, sagte Bermann.
    »Und das kommt ausgerechnet von dir.« Sie beendete die Verbindung. An der Frau und dem Mann vorbei ging sie in Richtung Tür. Wieder lagen die Augen des Mannes für einen Moment auf ihr.
    Vor dem Hotel blieb sie stehen und wartete. Seit zwanzig Jahren Polizistin, da erkannte man Kollegen.
    Zehn, zwölf Sekunden verstrichen, die beiden kamen nicht.

3
    WÄHREND DER FAHRT zum Krankenhaus griff sie die losen Fäden wieder auf. Nur eines schien klar zu sein: Im Mittelpunkt

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