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Das verborgene Wort

Das verborgene Wort

Titel: Das verborgene Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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einer etwas aufgeworfenen Nase und einem vollen, kirschrot gemalten Mund. Eine Figur so um die 36, vielleicht um die Hüften eine Nummer größer. Biegsam und quirlig. Jedenfalls vor der Heirat. Schon von der Hochzeitsreise nach Venedig und an die Riviera, wo es den ersten Krach gegeben haben soll, kam Karl ernüchtert zurück. Ein Italiener hatte Emma schöne Augen gemacht und war auf so viel Entgegenkommen gestoßen, daß Karl die seinen nicht länger hatte zumachen können. Sie brachen die Reise vorzeitig ab. Im soliden Ronningen in der reputierlichen Stellung einer Apothekersgattin würden der jungen Frau die Flausen vergehen. Die Hoffnung schien sich zu erfüllen, solange Emma das Haus auf den Kopf stellen konnte. Gegen den, wie man sich denken kann, beträchtlichen Widerstand von Karls Mutter warf sie alle alten Möbel aus dem Haus, schwere handgemachte Tische, Schränke, die Betten, die Betten zuerst, und kaufte neu. Fuhr dazu nach Düsseldorf, ließ Inneneinrichter und Dekorateure anreisen, die Tapeten und Stoffmuster aus ihren Kombis anschleppten, Teppiche wurden aus- und wieder eingerollt, das Kachelbad mit Marmor ausgeschlagen. Als das Schlafzimmer angeliefert wurde, stand die Nachbarschaft Spalier. Die Schränke waren weiß lackiert, mit ovalen goldenen Spiegeln und Ranken verziert, die Frisierkommode ein Schnitzwerk auf goldenen Klauen. Als dem Packer eines der Nachtkästchen aus den Händen fiel, sahen alle, daß die ganze Pracht nur aus dicken Span- und dünnen Sperrholzplatten bestand, von denen beim geringsten Stoß der Lack abblätterte. Karl hatte seiner Frau freie Hand gegeben, sie konnte sogar über Einkünfte und Ersparnisse auf der Ronninger Sparkasse verfügen.
    Hanni stellte das Bügeleisen hochkant und setzte sich. Wat jlaubs du, Hilla, wat Möbel koste. Un dann och noch alles neue Tapete. Un de Jardinen, waren die och neu? Un de Kösch?
    Ja, die Gardinen waren neu, Stores und Übergardinen. Wieder seufzte Hanni. In der Weberei hatte sie an kostbaren Stoffen ge-arbeitet. Lindgrün, altrosa, ocker und pfirsich malte ich Küche und Küchenmöbel, schaffte Kühlschrank und Truhe, Elektroherd mit Blitzplatte, Mixer, eine Spüle aus Nirosta, einen Toaster an. Sogar eine Küchenmaschine.
    Wie isch, sagte Hanni stolz und nickte ihrer Spüle zu, wo ihr eigenes Knet-, Rühr- und Mixgerät stand. Nä, nä, Hanni rekelte sich. Wat dat all kost. Dat Emma driev dä Mann jo in Null Komma nix in de Ruin. Dat is werklesch en Katastroph.
    Abwarten Hanni, sagte ich. Das ist noch gar nichts. Es kam nämlich, die letzten Möbel waren gerade geliefert, ein Brief von der Sparkasse. Emma hatte den Kredit von zehntausend Mark...
    Zehntausend Mark! Hanni schlug verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen. Mir han nur fünftausend und dat nur wejen dem Land. Die Mama hat nur zweitausend. Zehntausend Mark!
    Jawohl, zehntausend Mark! bestätigte ich. Das war der Kredit. Sie hatte ihn aber um fast fünftausend Mark überzogen. Fünfzehntausend Mark Schulden! Zu allem Unglück war der Brief auch noch Karls Mutter in die Hände gefallen, die jeden Brief, gleich, an wen er gerichtet war, öffnete und jetzt, ohne Rücksicht auf etwaige Kunden, den Brief schwenkend in den Laden stürzte, dergestalt, daß eine ältere Frau so erschrak, daß sie die soeben erworbene Flasche Franzbranntwein fallen ließ, was ihr der Apotheker ersetzen mußte.
    Hilla, unterbrach Hanni, mach doch nit so lange Sätze, mir wird et janz schwindelisch, isch weiß am Ende nit mehr, wat de am Anfang jesacht hast. Un dat met dem Franzbranntwein es doch och nit su wischtisch. Also, die Mutter hatte dä Brief un war auf hundert. Dä arme Karl. Hanni sah mich erwartungsvoll an.
    Ja, fuhr ich fort, der arme Karl. Der hatte wochenlang zu allem ja und amen gesagt, wenn seine Emma ihm nur schöne Augen gemacht hatte. Solange sie das Geld mit vollen Händen ausgeben konnte und alles nach ihrem Kopf ging, war sie zufrieden gewesen. Jetzt aber wurde Karl zum zweiten Mal aus seinem Traum vom Glück gerissen. Die Mutter keifte, Emma greinte und fiel in Krämpfe, sobald der Apotheker sich ihr näherte. Die Möbel, alle auf Raten gekauft, wurden in der Reihenfolge ihrer
    Anschaffung wieder abgeholt. Die Betten zuerst, zuletzt das Teakholzbüffet.
    Wat en Blamasch, stöhnte Hanni wohlig.
    Ja, nickte ich, die Nachbarn sahen jetzt schadenfroh zu, wie ein Teil nach dem anderen wieder fortgeschafft wurde. Nur die maßgeschneiderte Küche ließ man stehen, man konnte

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