Das verborgene Wort
dir sprechen. Du weißt doch, daß ich dein Kind unter dem Herzen trage. Wie freudig bist du errötet, als ich dir bei unserem letzten Treffen mein Geheimnis gestand. Unser süßes Geheimnis. Und seither nichts mehr von dir. Rudolf, ich werde weiterhin auf dich warten, Nacht für Nacht, ich gehe mit dir, wohin du willst. Nur stoße mich nicht von dir. Ewig die Deine. Emma. Ich ließ die Briefhand sinken.
Hannis Wangen flammten, ihre Augen sprühten. Hilla, sagte sie und schluckte, dat jiddet doch janit. Esch han mer ald jedäät, dat dat Emma en Düsseldörp janz jet anderes jeliert hät wie Klavier. Ävver sujet, nä, nä. Hanni war vor Aufregung wieder ganz ins Platt verfallen und sah mich mit einer Mischung aus kindlicher Neugier und lustvoller Verschlagenheit an.
Die Haustür wurde aufgesperrt, Frauenstimmen im Flur.
Do häs de et, fauchte Hanni, weil de nit flöcker verzällt häs. Do sin se, wo et jrad am beste es. Nu sach doch nur noch, wie es ausjeht.
Die Tante platzte herein, riß das Küchenfenster auf, sah sich nach einem Stuhl um, alle waren mit Wäschehäufchen belegt. Schnaufend zerrte sie die Mütze vom Kopf und fingerte an den Knöpfen ihres Wintermantels.
Lurens, wen isch metjebraat hab! Kumm rin, Marjot! Maria, mach de Düür zo! Et trick. Hanni, lommer doch en et Wonnzemmer jonn.
Noch an den Kleiderhaken im Flur verströmten die Mäntel der Frauen eisige Kälte. Nä, do is och dat Heldejaad, sagte die Tante, als wir alle einen Platz gefunden hatten. Margot und Maria auf dem Sofa, die Tante und ich in einem der drei Sessel, um den nierenförmigen Tisch mit bunter Mosaikplatte. Tisch-, Ses-sei- und Sofabeine nach unten spitz, die Polstermöbel beige, mit noppigem Stoff bezogen, auf dem schwarze Linien mit taubeneigroßen roten und grünen Noten eingewebt waren, von lila Violin- und Baßschlüsseln zusammengehalten. Auf dem Couchtisch ein Obstkörbchen aus gebleichtem Weidengeflecht. An der Wand gegenüber der Sitzgruppe die Musiktruhe, darauf ein Kranich aus Teakholz, den Schnabel zur Decke gereckt. Daneben die langgestreckte Anrichte mit allerlei Figuren aus Bast, Pferde zumeist, in der Mitte eine Gondel aus perlmuttgeschliffenen Muscheln und einem Bastgondoliere in den Farben Italiens. Darüber ein Bord mit Glasschiebetür, dahinter, creme wie Polstermöbel und Tapete, das gute Service. Durch die Stores vor den Fenstern schimmerten immergrüne Topfpflanzen, Azaleen und Alpenveilchen. In der Ecke neben der Anrichte wucherte der Gummibaum, den Maria mit Heribert, damals noch ihr Verlobter, der Schwester zur Hochzeit geschenkt hatte.
Wenn du us ä Täßje Kaffe mache diz, Hanni, wör dat joot. Mir han och jet metjebrät. Vier Nußecken und vier Rosinenschnecken packte die Tante aus, vier Nußecken auf fünf Personen, das hieß zugreifen. Hanni holte eine Flasche aus dem Keller, die aussah wie Großmutters Aufgesetzter. Auch in ihrem Garten standen jetzt im Sommer, eingebuddelt bis zur Ernte im Herbst, die Flaschen mit schwarzen Johannisbeeren auf klarem Schnaps. Hanni entkorkte die Flasche und füllte unsere Gläser.
Worauf trinken wir? fragte Margot feierlich. Und die Tante antwortete, ohne nachzudenken: Op us all.
Margot hatte ihre auf Nerz gefärbte Kaninchenpelzjacke anbehalten und eng um sich gezogen, obwohl Hanni die Heizung hochdrehte und die Scheiben beschlugen. Sie arbeitete in einer Kürschnerei, liebte den Umgang mit Fellen und trug sogar im Sommer immer irgendwo ein Pelzteil an sich, und wenn es nur eine Nerzrosette war. Margot war unverheiratet. Böse Zungen spotteten, sie hätte wohl Angst vor allem, was hart sei.
Hanni blickte, als sei sie noch nicht ganz aus der Ronninger Apotheke zurück.
Nä, wat dat Hilla verzällt hät. Verzäll doch ens dat End, sagte sie. Hürt ösch dat ens an.
Nä, fuhr die Tante dazwischen, dat Heldejaad met singe Ka-melle [64] . Hür leever ens, wat dat Alma us verzällt hätt. En Röpp- resch hat sesch de Frau vom Dokter ömjebrät [65] . Met Jeff. Mit Gift. Viirher hat dat Minsch dä ärme Kääl, dä Dokter, noh Strisch un Fade bedrore [66] , und dobei noch Schulde jemaat, in de Zischtausende. Dann han se däm de janze Bud leerjerömp. Met däm Jerischtsvollzieher. Ovverall dä Kuckuck drop. Un dann ab dursch de Mitte. Die Tante lachte behaglich und leckte Schokolade von den Fingern.
Hanni sah mich verwirrt an. Die Geschichten gerieten ihr durcheinander. Mir auch. Sie kippte ihren Aufgesetzten in einem Zug hinunter. Hieß, fragte sie, die Frau
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