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Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Titel: Das verbotene Eden 01 - David & Juna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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der Stein früher einmal hell gewesen sein soll, doch es fiel ihm schwer, das zu glauben. Wenn man das Bauwerk so ansah, bekam man das Gefühl, das Gemäuer müsse durch und durch schwarz sein. Wie Teer oder Obsidian. Die beiden Türme ragten so hoch empor, dass sie Löcher in die Wolken zu stoßen schienen. Die ersten Tropfen fielen.
    »Dort, der Tunnel.« Amon deutete auf eine Stelle, wo die Straße neben dem ehemaligen Bahnhof im Untergrund verschwand. »Da sind unsere Abstellplätze und Werkstätten. Dort gibt es einen Treppenaufgang, über den wir direkt zur Kathedrale gelangen. Beeil dich.«
    Kaum hatte David die schützende Unterführung erreicht, als der Himmel seine Schleusen öffnete und ein Schauer von biblischen Ausmaßen auf die Erde prasselte. Der Regen verwandelte die Straße in einen rauschenden Fluss. Die Welt sah aus, als würde sie hinter einem grauen Schleier verschwinden.
    »Preiset den Herrn«, sagte Amon und klopfte seinem Freund auf den Rücken. »Fünf Minuten später und wir hätten schwimmen müssen.« Er zog den Schlüssel ab und drückte ihn jemandem vom Wartungspersonal in die Hand. Der kleine gebeugte Mann mit dem grauen Kittel und der Schweißerbrille auf der Stirn sah aus, als bestünde er nur aus Staub und Schmierfett. »Sauber machen und auftanken«, befahl Amon. »Die Waffen entladen und dann zurück ins Arsenal.«
    »Sehr wohl.« Der Mann machte kehrt und ging sofort daran, die Befehle auszuführen.
    »Siehst du, das nenne ich Respekt«, sagte Amon, als sie außer Hörweite waren. »Das wird dir auch so gehen, wenn du erst die Uniform der Heiligen Lanze trägst. Mit dieser Kleidung und diesem Abzeichen …«, er tippte auf das Symbol der Kathedrale an seiner Brust, »… bist du der uneingeschränkte Herrscher der Stadt. Nur noch dem Inquisitor verpflichtet. Komm, lass uns gehen.«
    David nahm Grimaldi, ließ ihn in die lederne Umhängetasche hüpfen und folgte seinem Freund.
    Über Treppenstufen und Betonschächte, deren Decken und Wände mit merkwürdigen Bildern und Symbolen beschmiert waren, ging es hinauf zur Kathedrale. Es schüttete immer noch wie aus Kübeln. Der Vorplatz stand unter Wasser, und ein Ende des Wolkenbruchs war noch lange nicht abzusehen. David und Amon zogen ihre Kapuzen tiefer und rannten hinüber zum Haupteingang. Unter dem schützenden Torbogen waren sie erst einmal in Sicherheit. David blickte über den weiten Platz. Der Regen tauchte alles in tristes Grau. Dies war früher einmal das Herz der alten Stadt gewesen. Tausende von Menschen mussten sich hier an sonnigen Tagen versammelt haben. Vielleicht hatte es Stände gegeben, an denen Zuckerwerk verkauft wurde, oder Straßenmusikanten, die die Leute für ein wenig Geld mit selbstkomponierten Stücken oder akrobatischen Einlagen unterhielten. Kinder waren lachend über den Platz gerannt, während die Eltern versuchten, ihren Nachwuchs nicht aus den Augen zu verlieren. Jetzt wuchsen hier nur noch Farne und Gras.
    »Komm«, sagte Amon. »Die Tür ist offen.«

17
    D ie Kälte und die Dunkelheit im Inneren der Kathedrale umhüllten David wie ein Grabestuch. Es war, als befände man sich im Inneren einer Gruft. Die Luft war gesättigt von Weihrauch und Myrrhe, und aus der Höhe war das Geräusch des fallenden Regens zu hören. Ihre Schritte wurden von den steil aufragenden Wänden zurückgeworfen. Von den Säulen starrten die steinernen Gesichter längst vergessener Heiliger auf sie herab, während Gemälde, die bis zur Unkenntlichkeit nachgedunkelt waren, biblische Szenen zeigten. Abbilder von Frauen gab es keine. Selbst das Antlitz der Jungfrau Maria war aus den Darstellungen getilgt worden. Ihr Name war aus der kirchlichen Lehre verschwunden, einer Lehre, die Jesus als makellosen Mann beschrieb, von Gott gesandt, ohne von einer sündhaften Frau geboren zu sein.
    David hielt den Atem an. Dies war das Zentrum ihres Glaubens, der Mittelpunkt dessen, was einst ein erdumspannendes Machtgefüge war. Doch nun gab es nur noch wenige von ihnen. Ein sterbender Glaube in einer sterbenden Welt.
    Von der Seite näherte sich eine Gestalt in einem roten Umhang. Der Mann war schlank und besaß eine Nase, die einem Falkenschnabel nicht unähnlich war. »Wie kann ich euch dienen, meine Brüder?« Er musterte sie über den Rand seiner Brille hinweg. Plötzlich schossen seine Brauen in die Höhe.
    »Bruder Amon, seid Ihr das?«
    »Ich bin’s, Meister Sigmund«, sagte Amon. »Gerade zurückgekehrt vom Kloster des heiligen

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