Das verbotene Eden 01 - David & Juna
verständnisvoll. Glaub mir, für jemanden wie dich ist das die Hölle. Bei mir hingegen hättest du geregelte Zeiten, gute Verpflegung und eine Arbeit, die dir Spaß macht. Du könntest tun, was du auch schon im Kloster getan hast. Vorausgesetzt, du bist bereit, religiöse Texte mit Maschinenbauplänen zu vertauschen.« Er grinste.
David blickte empor zu den Türmen, die wie die Zinnen einer mächtigen Burg vor ihnen aufragten. Was sollte er hier? Was war nur geschehen, dass die Dinge so aus dem Ruder gelaufen waren? Er fühlte sich wie ein Staubkorn, das vom Wind der Zeit gepackt und davongeweht wurde. Als er seinen Kopf drehte, bemerkte er, dass Sven ihn aufmerksam musterte. Er zuckte die Schultern. »Wir können es ja mal versuchen«, sagte er ohne rechte Überzeugung.
*
Eine knappe Stunde später hatten die Brigantinnen die Raffinerie erreicht. Der Bewässerungsgraben hatte sich als wahrer Segen erwiesen. Er führte in einem langgezogenen Bogen um die Raffinerie herum und kam dicht bei einer Stelle heraus, wo der Westwall auf den Nordwall traf. Der Haupteingang war höchstens fünfzig Meter von ihnen entfernt. Juna zog unwillkürlich den Kopf ein. Die riesigen Tanks ragten wie Felswände neben ihnen auf. Sie fühlte sich wie ein Zwerg im Angesicht einer Stadt, die von Riesen beherrscht wurde. Die Stimmung war angespannt. Allen war klar, dass die Aufgabe schwieriger zu lösen sein würde als vermutet. Der Wall war knappe fünf Meter hoch und wies weder Tore noch Durchbrüche auf, sah man vom Haupttor ab, das aber gut bewacht wurde. Die Mauer war aus massivem Beton erbaut und schien unüberwindbar.
Als der Graben so schmal wurde, dass sie die Pferde nicht mehr gefahrlos weiterführen konnten, verließen sie ihn und tauchten in ein kleines Wäldchen direkt neben der Mauer ein. Im Schatten der mächtigen Buchen waren sie sicher.
Vorerst.
Juna war unruhig. Während sich die anderen eine kleine Pause gönnten, schlich sie zum nördlichen Rand des Wäldchens. Mit geschickten Bewegungen kletterte sie auf einen Baum und spähte durch die Zweige nach draußen.
Sie befand sich an der nordwestlichen Ecke der Raffinerie. Die Einfahrt war mit einem etwa vier Meter hohen Eisentor verschlossen, das an der Oberkante zusätzlich mit Stacheldraht gesichert war. Unmöglich, da hinüberzukommen. Die ganze Anlage schien unüberwindbar.
Junas Aufmerksamkeit wurde von einem anderen Gebäude angezogen. Es lag schräg gegenüber dem Haupttor, vielleicht hundert Meter entfernt. Seltsam, dachte Juna. Sieht aus wie eine Lagerhalle oder so. Es war ungefähr zwanzig Meter lang und zehn Meter breit und besaß ein tonnenförmig gewölbtes Dach. Den Eingang bildeten zwei große Schiebetüren, und nebenan stand ein alter, mit roten und weißen Quadraten bemalter Turm mit Glaskuppel. Ein breiter, asphaltierter Streifen, auf dem etliche weiße Markierungen angebracht waren, befand sich daneben. Er sah aus wie ein breites Stück Straße, das irgendjemand in die Landschaft gebaut hatte. Die Anlage war nicht besonders groß und verfügte über keine nennenswerten Sicherheitsvorkehrungen, sah man mal von einem Maschendrahtzaun, einem Tor und einigen Rollen Stacheldraht ab, die man mit etwas Geschick und einer Drahtzange leicht überwinden konnte.
In diesem Moment näherte sich von Westen ein Fahrzeug. Es schien ein Truppentransporter zu sein, jedenfalls war die hintere Ladefläche gerammelt voll mit Leuten. Ziemlich rabiat aussehende Burschen, wie Juna mit einem Blick durch ihr Fernglas feststellte. Nachschub für die Wachen vermutlich. Der Laster hielt vor dem Tor an, und ein paar Soldaten kamen aus dem Wachraum und sprachen mit dem Fahrer. Dann wurden die Leute hinten angewiesen, abzusteigen und sich aufzustellen. Mit gezogener Waffe wurden die Leute durchsucht und ihre Personalien festgestellt. Dann gab einer der Soldaten ein Zeichen, und das Tor ging auf. Der Lastwagen fuhr hinein, dicht gefolgt von den Neuen. Mit einem metallischen Dröhnen fiel das Tor ins Schloss.
Juna kletterte von ihrem Aussichtsposten herunter. Höchste Zeit, den anderen Bericht zu erstatten.
22
S päter am Abend lag Juna erneut auf Beobachtungsposten. Camal war neben ihr gelandet und hatte den Kopf unter die Federn gesteckt. Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden. Die Nacht breitete ihre Schwingen aus. Der Wald versank in tintenblauen Schatten, die zwischen den Stämmen hervorkrochen und alles mit Dunkelheit überzogen. Hoch oben auf dem Wall waren
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