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Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen

Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen

Titel: Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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wichtigen Nachrichten, wie es heißt. Ehrlich gesagt, die Männer sehen ziemlich wild aus, von der Frau ganz zu schweigen. Ich habe sie in den Hinterhof nahe des Refektoriums bringen lassen und ihnen eine Unterkunft angeboten. Die Frau habe ich in ihrem Käfig gelassen. Sie ist eine Hexe …« Seine Furcht war ihm anzusehen.
    »Na schön.« Der Inquisitor nickte und steckte die Pläne zurück in die lederne Tasche. »Dann wollen wir uns diese Gesandtschaft mal ansehen. Geh du voran.«
    *
    Das Hauptschiff der schwarzen Kathedrale verlor sich irgendwo im nebeligen Grau über ihrem Kopf. Es war das größte Gebäude, das Gwen je gesehen hatte. Dunkel, schwarz, massig. Trotzdem kein einförmiger Klotz. Sah man genauer hin, lösten sich die Formen auf, zerflossen und wurden zu etwas, das noch viel beängstigender war: einer eigenen Stadt, mit Hunderten kleiner Gebäude, Fenstern, Erkern, Bögen und Türmen, die allesamt aussahen, als wären sie von winzigen Menschen bewohnt.
    Im unteren Viertel blickten düstere Heiligenfiguren auf sie herab, hielten sie mit starren Augen gefangen, während weiter oben schreckliche Kreaturen, die an Drachen, Kobolde und Spukgestalten erinnerten, darauf zu warten schienen, endlich aus ihrer steinernen Leblosigkeit befreit zu werden.
    Was für ein Glaube mochte solche Schreckgestalten hervorbringen?
    Der Wagen hatte in einem Innenhof angehalten, dessen umgebende Gebäude so hoch waren, dass nur noch ein Ausschnitt der Kathedrale zu sehen war. Die schiefen Dächer und steilen Perspektiven verzerrten den Blickwinkel derart, dass die schwarzen Türme auf sie niederzustürzen schienen.
    Gwen zog die Beine an und schlang ihre Arme darum. Sie hatte die Nacht über kaum ein Auge zugemacht. Das Rumpeln und Poltern des Wagens sowie die andauernden Stöße hatten jeden Schlafversuch zunichtegemacht. Sie war müde, ihr war kalt, und hungrig und durstig war sie auch. Die Männer, die sie entführt hatten, saßen nebenan in einer Art Speisesaal und aßen und tranken. Man hörte Geschirr klappern, hin und wieder auch ein Rülpsen oder ein rauhes Lachen.
    Niemand kümmerte sich um sie.
    Eingesperrt in diesen Wagen aus Gitterstäben, wartete sie auf das, was noch kommen mochte. Ironie des Schicksals, dass sie es als Einzige aus ihrer Gruppe geschafft hatte, tatsächlich bis zur Kathedrale vorzudringen.
    Ob eine ihrer Gefährtinnen es geschafft hatte zu überleben? Die Ereignisse unten im Tunnel ließen eigentlich keine Hoffnung zu, aber vielleicht war doch ein Wunder geschehen. Sie faltete die Hände und betete zu den drei Göttinnen.
    Als sie fertig war, ging es ihr ein klein wenig besser.
    »Logan«, flüsterte sie. »Wo bist du? Kannst du mich hören?«
    Beim Klang seines Namens wurde ihr ein wenig wärmer ums Herz. Wie ein einziger Funken ein Feuer in Gang setzen konnte, so vermochte sein Name die eisige Kälte aus ihrem Herzen zu vertreiben. Die Begegnung mit ihm hatte ihr geholfen, ihren Frieden mit Juna zu machen. Sie glaubte ihre Gefährtin jetzt besser zu verstehen. Wie sie gefühlt haben musste und warum sie sich entschieden hatte, nichts zu sagen und stattdessen mit ihrem Geliebten fortzugehen. Es war, als habe die Reise ihr die Augen geöffnet. Wer es nicht selbst erlebt hatte, dem konnte man das nicht erklären.
    Vergebung, das war das Schlüsselwort. Innerer Friede resultierte aus Vergebung. Der Knoten in ihrem Magen war fort, als hätte er sich wie von selbst aufgelöst.
    »Ja«, flüsterte sie. »Ich glaube, ich verstehe es.«
    »Na, da bin ich ja mal gespannt«, sagte eine Stimme. »Was verstehst du?«
    Gwen schrak zusammen. Hinter ihr stand ein Mann. Er war vollkommen geräuschlos an sie herangetreten und blickte sie an, in Erwartung einer Antwort.
    »Nun, willst du nicht mit mir sprechen?« Sie glaubte, ein leises Lachen zu hören.
    Gwen kroch in die entlegene Ecke ihres Käfigs.
    »Was ist, erschrecke ich dich?«
    Sie presste die Lippen zusammen. Körper und Gesicht des Mannes waren von einer Kutte verhüllt. Sie bestand aus einem Stoff, der aussah, als wäre er mit Blut getränkt worden. Er war groß und schlank und stützte sich auf einen Stab, um dessen Ende Stacheldraht gewickelt war. Das Einzige, was Gwen von seinem Körper sehen konnte, war seine Hand, die den Stab wie eine Vogelkralle umklammert hielt. Die Haut war merkwürdig hell, beinahe durchscheinend und von schrecklichen Narben entstellt. Noch ehe sie wusste, wer da vor ihr stand, schob er die Kapuze zurück und enthüllte

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