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Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen

Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen

Titel: Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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helfen.
    Wenn du diesen Brief liest, haben wir unser Ziel schon erreicht – oder wir sind bei dem Versuch, dorthin zu gelangen, umgekommen.
    Bete für mich, Gwen. So wie ich dafür bete, dass wir uns eines Tages wiedersehen.
     
    Deine dich immer liebende Juna

1
    D as Gesicht im Spiegel blickte sie wütend an. Die Wangen gerötet, die Augen schmal, die Haare ungezähmt.
    Mein Leben ist ein Scherbenhaufen.
    Sie fuhr mit den Händen durch ihre pechschwarzen Locken und versuchte, die störrische Mähne zu bändigen.
    Ich dachte, ich wäre der glücklichste Mensch der Welt, doch das war alles nur eine Illusion. Der Mensch, den ich am meisten geliebt habe, ist fort. Jetzt bin ich allein, und alles, was ich habe, ist dieser dämliche Spiegel.
    Sie warf ihrem Gegenüber einen vernichtenden Blick zu.
    Manchmal erkenne ich mich selbst kaum wieder.
    Gwen fand ihre Stirn zu rund, die Augen zu nah beieinander und die Nase zu krumm. Manche sagten, sie sei schön, doch das konnte sie nicht nachvollziehen. Einzig ihr Mund, die geschwungenen Lippen und die kleinen Grübchen rechts und links konnten ihrem kritischen Blick standhalten.
    Mein ganzes Leben habe ich hier in Glânmor verbracht, jetzt fühle ich mich wie eine Fremde. Wie konnte das nur geschehen? Kannst du es mir sagen?
    Das Spiegelbild schwieg.
    Von der Waschschüssel stieg Dampf auf. Die Welt wurde in Wolken getaucht. Weiche Schleier wogten über das Glas und verzerrten das Bild zu diffusen Formen. Ein Schrank, ein Tisch, ein paar Regale, ein geöffnetes Fenster. Dahinter, nur mit Mühe zu erkennen, die alte Atlaszeder, die ihren Schatten über dem Haus verteilte. Ein Windstoß fuhr über das Wasser und verwirbelte den Dampf. Gwen nahm ein Tuch und polierte das Glas. Inmitten des Nebels entstand ein unregelmäßig geformter Fleck.
    Warum sprichst du nicht mit mir? Sag mir lieber, warum alles schiefgelaufen ist.
    Schweigen.
    Gwen tauchte ihre Hände ins Wasser. Die Temperatur war gerade noch erträglich. Noch etwas heißer, und sie hätte sich verbrüht. Sie griff in ein Tongefäß und streute ein paar Lavendelblüten ins Becken. Sofort verbreitete sich ein belebender, aromatischer Geruch. Sie beugte sich vor und schöpfte eine Handvoll Wasser in ihr Gesicht. Die Wärme brandete über sie hinweg und hinterließ Wohlbefinden. Sie spürte, wie sich ihre Haut entspannte. Mit vollen Händen schöpfte sie weiter, immer und immer wieder, so lange, bis ihr Gesicht rot war wie eine Tomate. Die Kälte verflog, zumindest äußerlich. Spätestens heute Abend jedoch, wenn sie zu Bett ging, würden ihre ständigen Begleiter wieder da sein: die Leere, die Einsamkeit – und die Fragen.
    Warum hast du mich verlassen? Wohin bist du gegangen? Warum hast du mir nicht Lebewohl gesagt?
    Alles, was ihr von Juna geblieben war, hing nebenan an der Wand. Ein Zettel, der an einen Pfeil gebunden aus der Flugmaschine geworfen worden war, mit einer Handschrift, die unmöglich Junas sein konnte. Wie die meisten Frauen in Glânmor konnte sie weder lesen noch schreiben. Bücher galten als etwas Schlechtes. Wissen wurde mündlich und in Form von Geschichten weitergegeben. Den Brief musste ein anderer verfasst haben. War
er
es gewesen, hatte
er
die Botschaft geschrieben? War ja eigentlich auch egal.
    Warum hatte Juna Gwen ihren Entschluss nicht persönlich mitgeteilt? Schämte sie sich? Hatte sie geglaubt, sie könne sie deswegen verachten?
    Ausgerechnet Juna, die immer so stark und schön gewesen war. Eine Kriegerin der Brigantia. Tochter der Hohepriesterin Arkana und Wächterin über alle Geheimnisse. Jung, stolz und sehr von sich überzeugt. Eine Frau, die immer wusste, was richtig war und was falsch. Wie konnte sie sich nur mit einem Mann einlassen? Mit einem Feind?
    Vielleicht lag die Schuld ja bei Gwen. Vielleicht hatte sie Juna zu wenig geboten, ihr zu wenig Freiheiten gelassen oder sie zu sehr eingeengt. Was, wenn ihre Suche nach Nähe genau das Gegenteil bewirkt hatte?
    Wenn ich dich enttäuscht haben sollte, Juna, so tut es mir leid. Aber warum hast du nie ein Wort gesagt? Habe ich nicht wenigstens dieses bisschen Offenheit verdient?
    Warum nur, Juna, warum?
    Gwen wischte eine Träne aus ihrem Augenwinkel. Was sie da tat, war sinnlos. Selbstzerfleischung. Eine angehende Heilerin sollte wissen, dass Verletzungen Zeit brauchten.
    Wer war der Mann, der Junas Herz erobert hatte?
    Gwen erinnerte sich undeutlich an einen Gefangenen. Ein junger Mönch aus einem der Klöster nahe der alten Stadt.

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