Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
Edana kniete sich hin, um ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Die Frau war tot. Sie mochte vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt sein, fast noch ein Kind. Genau wie ihre Tochter, die etwa im gleichen Alter bei der Verteidigung einer Kupfermine getötet worden war.
Ein Schluchzen unterdrückend, stand Edana auf und sah sich um. Die Zahl der getöteten Männer war fast doppelt so hoch, aber das machte die Sache nicht besser. Sie hatte mit ein paar schlecht trainierten und unmotivierten Kirchenkriegern gerechnet, die beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten die Flucht ergreifen würden. Doch vor allem die Clankrieger hatten sich als schwer unterschätzte Gegner erwiesen. Nicht nur, dass sie gut mit Waffen umgehen konnten, sie waren auch mutig und entschlossen. Sie schienen die Schlacht persönlich zu nehmen und kämpften selbst dann tapfer weiter, wenn sie verwundet waren. In diesem Zustand konnten sie es durchaus mit Brigantinnen aufnehmen. Hinzu kam, dass sie über Schusswaffen verfügten und auch damit umzugehen verstanden. Edana hatte ihre Truppen mit kugelsicheren Schilden und Körperpanzern ausgestattet, doch die boten natürlich keinen umfassenden Schutz. Ein guter Schütze fand immer eine Lücke.
Neben ihr schritt Arkana über das Schlachtfeld. Sie hielt ein Taschentuch vor den Mund gepresst und war bleich vor Entsetzen. Immer wieder schüttelte sie den Kopf, und Tränen schimmerten in ihren Augen.
»Und, bist du nun zufrieden, Edana? Ist es das, was du wolltest? Ich hatte dich gewarnt, aber du wolltest ja nicht hören. Nun sieh dir deinen großen Sieg an.«
Edana hatte keine Lust, sich mit ihr zu streiten. Es reichte schon, dass sie sie an ihrer Seite duldete.
»Halte dich aus Sachen raus, von denen du nichts verstehst«, sagte sie. »Um einen Sieg dieser Größenordnung zu erringen, müssen militärische Opfer gebracht werden. Es gibt keine Schlachten, bei denen nicht auch ein paar der eigenen Leute fallen. Wer so etwas behauptet, ist entweder ein Narr oder hat noch nie einen Krieg miterlebt.«
»Ein paar unserer eigenen Leute? Mach die Augen auf. Hier liegen um die fünfzig Brigantinnen. Junge Frauen, die noch ihr ganzes Leben vor sich hatten. Sie werden nun keine eigenen Kinder mehr bekommen. Wer heute gestorben ist, wird nichts mehr zur Zukunft unseres Volkes beitragen. Von denen, die heute Nacht noch von uns gehen, will ich gar nicht reden. Unser Volk blutet aus. Und mit jeder, die fällt, werden unsere Chancen schlechter, doch noch zu einer friedlichen Lösung zu finden.«
»Wir werden Frieden haben, Arkana«, sagte Edana. »Wenn die Nacht vorüber ist und der morgige Tag kommt, dann werden wir Frieden haben.«
»Dann willst du also den Weitermarsch anordnen? Du willst dich nicht zurückziehen?«
»Zurückziehen?« Edana lachte scharf auf. »Jetzt ist die Bresche frei. Wenn wir schnell sind, können wir bis zur Kathedrale durchmarschieren, ehe es den Männern gelingt, sich neu zu organisieren. Mit etwas Glück können wir den Inquisitor noch vor Anbruch der Nacht zur Kapitulation zwingen.«
»Was? Ohne vorher Späher auszusenden? Bist du von Sinnen?«
»Wir haben keine Zeit für lange Aufklärungsmanöver. Die Männer werden uns nichts Nennenswertes mehr entgegenzusetzen haben.«
»Edana …«
»Ich bin nicht so weit vorgerückt, um jetzt noch umzukehren. Wenn dir das nicht passt, hau doch ab, ich werde dich nicht aufhalten. Ich werde dir auch keinen Prozess machen, falls das deine Sorge sein sollte. Von mir aus bist du frei. Aber hör auf, dich in meine Angelegenheiten einzumischen.«
»Deine Angelegenheiten? Das könnte dir so passen. Uns alle in den Abgrund ziehen und dann so tun, als wäre das eine Privatsache! Nein, meine Liebe, so einfach werde ich es dir nicht machen. Und nur damit du es weißt, ich werde nicht gehen. Ich werde hierbleiben und dokumentieren, was du tust. Damit die Nachwelt erfährt, was heute hier geschehen ist. Wenn es überhaupt noch eine Welt nach uns geben wird.« Und mit einem stummen Fluch auf den Lippen wandte sie sich um und verschwand in Richtung Zelte.
*
Inquisitor Marcus Capistranus nahm die Nachricht vom Sieg der Frauen gelassen entgegen. Er saß hinter seinem Schreibtisch und beobachtete, wie das Nachmittagslicht lange Schatten über das geölte Kirschholz warf. Die Arme aufgestützt, die Fingerspitzen gegeneinandergedrückt, lauschte er den Berichten seiner Boten und stellte hin und wieder gezielte Fragen. Alles in allem waren die
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