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Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)

Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)

Titel: Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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drüben.«
    Magda kniff die Augen zusammen. Vor ihnen lag ein großer Platz, an dem zwei Straßen Y-förmig aufeinandertrafen. Das Gras war niedergetrampelt, und überall waren Pferdedung und die Reste von Feuerstellen zu erkennen. Aus einigen von ihnen stiegen noch dünne Rauchschleier auf. Ein sicheres Zeichen, dass die Brigantinnen erst vor wenigen Stunden hier ihre Zelte abgebrochen hatten. Der Geruch, der über dem Lager lag, machte die Ponys unruhig.
    »Sie spüren, dass die anderen nah sind«, sagte Zoe. »Nicht mehr lange, bis wir sie eingeholt haben.«
    »Worauf warten wir dann noch?« Lächelnd ritt sie an Zoe vorbei.

    Keine zehn Minuten später zog sie am Zügel. Sie hatte etwas entdeckt. Ein seltsames Gefühl überkam sie. Konnte es sein, dass dies der Ort war? Sie musste sich Gewissheit verschaffen. Langsam und vorsichtig stieg sie ab.
    Zoe bemerkte es erst, als sie schon einige Meter weitergeritten war. Mit besorgtem Blick kam sie zurück. »Warum bist du abgestiegen, Herrin? Wir sollten hier nicht anhalten, die Gegend ist nicht geheuer.«
    »Diese Gebäude hier …« Magda spürte, wie ihr die Worte im Hals steckenblieben.
    Ja, dachte sie. Du hast dich nicht geirrt. Hier hat alles begonnen.
    Wie eine Schlafwandlerin ging sie auf den Gebäudekomplex zu. Es war gar nicht so leicht, zwischen all dem Gestrüpp hindurchzukommen. Überall waren Brennnesseln und Brombeeren. Wenn man nicht vorsichtig war, blieb man daran hängen und zerriss sich die Kleidung. Die Häuser waren, bis auf wenige Ausnahmen, vollkommen von der Natur zurückerobert worden. Farne, Efeu, wilder Wein – es hatte etwas von den Geschichten in ihrem alten Märchenbuch. Von Dornröschen in ihrem verwunschenen Schloss.
    Eine seltsame Stille lag über der Anlage, nur unterbrochen vom Gezwitscher einiger Vögel. Feuchtigkeit stieg ihr in die Nase, der Geruch nach Moos und Laub. Sie erinnerte sich noch, wie der Verfall begonnen hatte. Nicht nur hier in der Stadt, überall. Ihre Eltern hatten damals einen schönen Garten besessen. Sie wusste noch, wie viel Arbeit es machte, ihn zu pflegen. Wenn man es nur eine Saison lang versäumte, die Hecken zu schneiden, das Unkraut zu jäten und das Gras zu mähen, sah man sich einer wahren Wildnis gegenüber. Die Natur war eine Kraft, gegen die der Mensch permanent ankämpfen musste. Tat er das nicht, wurde er von ihr einfach verschluckt.
    Zuerst hatte es die Wasserleitungen erwischt. Damals, als der erste harte Winter kam und keine Heizungen mehr funktionierten, platzten sie einfach und verwandelten die Häuser in feuchte Gruben. Die Nässe weichte Stützpfeiler auf, ließ sie vermodern und irgendwann brechen. Durch die undichten Dächer konnten Pflanzensamen eindringen, die den Verfall noch beschleunigten. Schimmelpilze, Moose, Farne und Gräser – nichts war vor ihnen sicher. Dann kamen die Tiere. Ameisen, Kellerasseln, später dann Mäuse, Marder und Igel. In nur wenigen Jahrzehnten war ein unbewohntes Haus nicht mehr wiederzuerkennen. Ganz zu schweigen von einer Stadt.
    Zoe band die beiden Ponys an einer jungen Birke fest und folgte der Heilerin.
    »Was sind das für Gebäude, Herrin? Sie sind riesig.«
    »Das war früher mal ein Krankenhauskomplex«, erwiderte Magda. »Unzählige Kliniken und Abteilungen. Fast so etwas wie eine eigene Stadt. Und alles im Dienste der Patienten. Hier habe ich gearbeitet.«
    »Hattet ihr so viele Kranke?«
    »Du vergisst, wie groß die Stadt war. Eine Million Menschen, nicht gerechnet die vielen Kranken, die von außerhalb zu uns kamen. Doch es war alles hochtechnisiert. Als der Strom ausfiel, funktionierte hier nichts mehr.« Magda blickte hinüber zu dem kastenförmigen Hochhaus, dessen freiliegende Etagen über und über von Klettergewächsen überwuchert waren. Auf dem Flachdach wuchsen Bäume. Ein einzelner Sonnenstrahl verirrte sich durch die Wolken und zauberte einen leuchtenden Punkt auf die Flanken des Gebäudes.
    Mit einem Mal war alles wieder da: der Tag ihrer Impfung, das Gedränge, die Warnung von Bens Vater. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie immer noch das aufgeregte Gemurmel der Menschen hören, das Geräusch der Motoren, das Klappen von Türen. Sie konnte sehen, wie Patienten durch den Park schlenderten oder auf Bänken saßen. Manche lesend, manche in Begleitung von Freunden und Angehörigen. Sie sah, wie das Pflegepersonal die Gebäude wechselte, trat zur Seite, weil ein Rettungsfahrzeug einfahren wollte, und hörte, wie ein Hubschrauber

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