Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
Getrappel der Hufe und das leise Plätschern des Regens waren zu hören.
Magda schwieg. Gebannt beobachtete sie, wie die Straßen und Gebäude an ihr vorüberzogen.
Fünfundsechzig Jahre waren vergangen, seit sie diesen Ort zum letzten Mal betreten hatte. Fünfundsechzig Jahre, in denen sie nicht einen Gedanken an das Zurückliegende verschwendet hatte. Doch jetzt kamen die verschüttet geglaubten Erinnerungen wieder hoch. Obwohl sich die Stadt in dieser Zeit unfassbar verändert hatte, fielen ihr immer noch die Namen ein. Decksteiner Weiher, Militärringstraße, Gleueler Straße. Links waren früher mal ein Altenzentrum und eine Evangelische Kirchengemeinde gewesen, rechts eine Kleingartenkolonie. Von den kleinen Holzhäusern war nichts mehr zu sehen, nur Gestrüpp, Unkraut und Schlingpflanzen.
Links tauchte jetzt ein größerer Gebäudekomplex auf. Magda erinnerte sich, dass er früher mal ein Kloster gewesen war. Wenn sie sich nicht täuschte, war hier ein Frauenorden ansässig gewesen – Augustinerinnen oder so. Doch wie alles, was mit ihrem Geschlecht zusammenhing, war auch dieses Gebäude fast vollständig zerstört worden. Ein paar Außenmauern, ein verkohlter Dachstuhl, das war alles, was an das Wirken der wohltätigen Frauengemeinschaft erinnerte.
Sie seufzte.
»Alles in Ordnung mit dir, Herrin?« Zoe zog an den Zügeln und wartete, bis die oberste Heilerin aufgeschlossen hatte.
»Ja, alles in Ordnung«, erwiderte Magda. »Es ist nur … all diese Erinnerungen. Ich hätte nicht geglaubt, dass sie so übermächtig sein würden.«
»Es muss schwer für dich sein, wieder zurückzukehren«, sagte Zoe mitfühlend. »Zu sehen, wie heruntergekommen hier alles ist.«
»Das ist es nicht«, sagte Magda. »Ich wusste ja, dass dies kein Tempelgarten sein würde. Es sind die Namen, ihr Klang.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie gedacht, dass ich sie noch so im Gedächtnis habe. Die Gebäude, die Straßen, die Seen. Es ist wie mit Gerüchen. Nichts ist so intensiv wie die Erinnerung an einen Klang oder Geruch. In den Seen, an denen wir vorhin vorbeigeritten sind, habe ich schwimmen gelernt. Meine Eltern sind öfter mit mir zum Spazierengehen rausgefahren. Hier gab es früher mal eine Buslinie. Ich besaß aufblasbare Schwimmflügel und durfte im Wasser herumpaddeln. Ich weiß noch, wie schwierig es war, wieder an Land zu kommen, weil die Seitenwände in einem schrägen Winkel abfielen. Die Seen waren künstlich angelegt worden. Mit schnurgraden Ufern, rechteckigem Grundriss und schräger Böschung. Später, als ich größer war, bin ich noch einmal dort schwimmen gewesen, aber es gefiel mir nicht mehr so gut. Das Wasser war nicht sehr tief – vielleicht zwei Meter –, und der Boden war bedeckt mit Schlamm und ekligen Schlingpflanzen, die einen beim Schwimmen kitzelten.«
Zoe verzog das Gesicht.
»Aber es waren trotzdem herrliche Tage«, sagte Magda. »Wir lagen im Gras, bliesen die Samen von Pusteblumen in die Luft und sahen den Ruderern zu, die mit ihren langen, schlanken Booten über das Wasser fegten.«
»Was ist aus deinen Eltern geworden, hast du sie jemals wiedergesehen?«
»Nein. Ich hörte, sie seien bei Unruhen in Spanien ums Leben gekommen. Sie saßen in einem Flugzeug, das beim Start in Flammen aufging.«
»Das tut mir leid …«
»Immerhin war es ein schneller Tod. Für mich war es viel schwieriger, ich hatte mein Leben noch vor mir und musste mich an die veränderten Umstände anpassen. Wenn ich mir vorstelle, was für ein verwöhntes und eingebildetes Mädchen ich damals gewesen bin …« Sie musste lächeln.
Zoe schwieg, aber Magda konnte ihr an der Nasenspitze ansehen, dass sie versuchte, sich die oberste Heilerin als junges Mädchen vorzustellen. Das Ergebnis war offensichtlich wenig befriedigend.
Magda schmunzelte. »Bemühe dich gar nicht erst. Du würdest es nicht glauben, selbst wenn du es sehen könntest. Leider habe ich keine Fotos aus dieser Zeit. Das ist so ziemlich das Einzige, was ich über die Jahre sehr bedauert habe: keine Fotos zu haben. Niemand hatte das. Aber wahrscheinlich war es gut so. Wir benötigten unsere Kraft für den Neuanfang. Rückwärts zu blicken hätte uns nur gebremst. Doch jetzt bin ich in einem Alter, in dem die Vergangenheit wieder mächtiger wird. Das wird dir auch so gehen, wenn du älter wirst.«
Zoe nickte gedankenversunken. Plötzlich hob sie den Kopf und schnupperte. Dann deutete sie nach vorne. »Sieh nur, Herrin, da
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