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Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)

Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)

Titel: Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Nachdruck zu verleihen, schlug er noch einmal gegen das Geländer. Er spähte in die Dunkelheit. Wenn nur sein Augenlicht besser wäre. Täuschte er sich, oder hatte er da eben eine schattenhafte Bewegung am Boden gesehen? Da, noch eine. Und noch eine. Helle, gespenstische Schemen, die sich mit ungeheurer Schnelligkeit bewegten. Nein, das war keine Einbildung. Sie waren da.
    »Ich wünsche, vor eure Herrscherin gebracht zu werden«, sagte er noch einmal, diesmal leiser. Er wusste, wie gut diese Wesen hören konnten. Zu laute Geräusche verschreckten sie und machten sie aggressiv. Undeutlich konnte er sehen, wie sie näher kamen, doch sie hassten das Licht und blieben außer Reichweite des Fackelscheins. Jaulende, stöhnende Geräusche drangen aus ihren Kehlen, so als wären sie Tiere. Doch das waren sie nicht. Was sie waren, wusste er nicht genau, nur, dass sie ursprünglich aus der Verbotenen Zone stammten. Manche behaupteten, einst wären es Menschen gewesen, die sich vor der Strahlung und der giftigen Luft infolge der jahrzehntelangen Kämpfe in die Kanalisation der alten Stadt geflüchtet hätten; andere sagten, sie seien eine entartete Kreuzung zwischen Mensch und Tier, doch das glaubte Marcus Capistranus nicht. Er hatte zumindest noch nie gehört, dass Menschen und Tiere jemals lebensfähige Nachkommen zur Welt gebracht hätten. Am wahrscheinlichsten war immer noch die Theorie, dass das Erbgut dieser Wesen durch unbekannte Substanzen in Luft oder Wasser geschädigt worden war, was dazu geführt hatte, dass sie kein Sonnenlicht mehr vertrugen und wie Ratten im Untergrund hausten.
    Eine schreckliche Lebensform!
    Lange Zeit dachte er, die Bleichen wären dumm oder ungelehrig, bis er irgendwann gemerkt hatte, dass sie immer zur selben Zeit und am selben Ort auf ihn warteten. Und zwar immer dann, wenn er seine Todesurteile vollstreckte. Die schlimmste Strafe, die es für einen verurteilten Verbrecher geben konnte, war nicht, ans Kreuz genagelt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Es war, den Bleichen zum Fraß vorgeworfen zu werden. Schon allein die Drohung reichte aus, dass die meisten lieber darauf verzichteten, Kirchenschätze zu rauben oder Morde zu begehen. Die Angst hielt sie zurück.
    Die Kreaturen waren so nah, dass er ihren fauligen Atem riechen konnte. Tagein, tagaus nur zähes altes Rattenfleisch. Kein Wunder, dass es diese Wesen nach frischem menschlichem Blut dürstete. Allerdings nicht zu frisch. Wie er gehört hatte, fraßen einen die Bleichen nur im absoluten Notfall gleich an Ort und Stelle auf. Meistens schleppten sie einen ins Herz ihres Baus. Dorthin, wo die Große Mutter hauste. Sie hatte immer Anrecht auf den ersten Bissen. Marcus Capistranus musste schlucken.
    »Geht voran, ich … ich werde euch folgen.«
    Vier Exemplare konnte der Inquisitor zählen, doch er war sicher, dass noch mehr im Schatten lauerten.
    Während er den Kreaturen durch die finsteren Gänge folgte, konnte er hin und wieder einen Blick auf sie erhaschen. Ihre Haut war tatsächlich völlig weiß. Die Haare hingen ihnen in langen Strähnen vom Kopf, und sie bewegten sich die meiste Zeit auf allen vieren. Ihre Gesichter waren entstellt. So hatten manche von ihnen keine Lippen oder Augenlider. Auch fehlten bei einigen von ihnen Ohren oder Nase, was sie wie blinde Grottenolme erscheinen ließ. Kleidung trugen sie keine, so dass man ihren mageren Körperbau sehen konnte. Geschlechtsteile wurden offen zur Schau gestellt. Mit Widerwillen musste er erkennen, dass männliche und weibliche Kreaturen hier offensichtlich zusammenhausten.
    Capistranus wandte sich ab, um seinen Seelenfrieden nicht zu verlieren.
    Nach und nach wurden die Schächte höher, die Tunnels breiter. Sie näherten sich einem Ort, an dem früher einmal mehrere Schächte aufeinandergetroffen sein mussten. Er war im Zuge einer schweren Erschütterung teilweise eingestürzt. Durch das Fehlen der Etagen war eine gewaltige Höhle entstanden, in deren Mitte sich ein Berg aus verbogenem Metall und Gesteinstrümmern befand. Dies war das Zentrum der Bleichen, der geheiligte Nistplatz der Matriarchin.
    Licht drang von oben durch eine Öffnung in der Decke und spendete trübe Helligkeit. Tonnen, in denen Ölfeuer brannten, verliehen der Szenerie einen unheimlichen Anstrich. Ein zerborstenes Rohr hoch über ihnen entlud einen mächtigen Strahl, der wie ein Wasserfall auf sie herunterrauschte und sich in einem flachen Becken rund um den Hügel sammelte. Unzählige

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