Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
sanfter, leichter Tod …
Er musste nur gut aufpassen, dass seine Gedanken nicht wahr wurden.
Noch eine ganze Weile suchte Grald das Wasser ab. Jedes Mal, wenn er glaubte, er hätte seinen Feind entdeckt, tauchte er erneut, tastete umher und trat mit den Füßen zu.
»Du hast ihn verloren«, kommentierte Maristara, die plötzlich in Gralds Gedanken eindrang. »Gib auf.«
Die beiden unterhielten sich von Geist zu Geist, wie Drachen es gewohnt sind. Allerdings mischten ihre Menschengehirne sich immer wieder ein. Grald hievte seinen schweren Menschenkörper aus dem Fluss und schüttelte sich.
»Er ist verschwunden, sein Geist und auch sein Körper«, murrte Grald. »Ich glaube, er ist ertrunken.«
»Es war sehr leicht«, stellte Maristara fest. »Verdächtig leicht.«
»Du hast ja nicht mit ihm gekämpft«, begehrte Grald auf. Er zuckte zusammen, als er die Hand an die blutige, schon jetzt blau angelaufene Schmarre an seiner Schläfe legte. »Glaubst du, er lebt noch?«
»Natürlich.«
»Na gut.« Grald stöhnte. »Ich werde ihn schon kriegen.«
»Nicht jetzt«, gab Maristara zurück. »Wir haben Dringenderes zu tun.«
»Die Menschenfrau, meinst du. Die mit der Drachenmagie. Ich habe den Plan gesehen. Ich weiß, wo sich die Menschen versteckt halten. Die bringe ich erst um, und danach …«
»Töte den Mann«, stimmte Maristara zu, »aber für die Frau habe ich eine bessere Idee. Du jammerst schon lange, dass die Drachenmagie im Blut der Menschenmänner verdirbt.«
»Ich glaube, dass wir deshalb tobende Irre hervorbringen«, nickte Grald.
»Es ist lange her, seit wir frisches Drachenblut zugeführt haben«, räumte Maristara ein. »Das war noch in den ersten Tagen des Klosters mit den allerersten Frauen. Wenn du Recht hast mit dem verdorbenen Blut – und das heißt nicht, dass ich mir da sicher bin, denn meine Frauen sind stärker denn je –, dann könntest du mit dieser Frau ein Experiment versuchen. Drakonas hat uns die Vorbereitungen bereits abgenommen. Es wäre doch schade, das zu vergeuden.«
»Ja, da hast du Recht«, grinste Grald. »Ein guter Vorschlag.«
»Wenn du alles Nötige mit ihr erledigt hast, bringst du sie zu mir zurück. Ich halte sie gefangen, bis sie das Kind zur Welt gebracht hat. Dann entledigen wir uns ihrer.«
»Und was ist mit Drakonas?«, fragte Grald. Sein Menschenverstand dürstete noch nach Rache.
»Zuerst die wichtigeren Dinge«, entschied Maristara.
Drakonas blieb weiterhin unter Wasser, denn er wollte kein Risiko eingehen. Das erwies sich als schwierig, weil er seinen linken Arm nicht benutzen konnte. Mit dem rechten Arm schwamm er weiter, bis die ersten Sonnenstrahlen ins Wasser drangen und er begriff, dass er die Höhle hinter sich hatte. Irgendwie überraschte es ihn, dass die Sonne schien. Für seine Begriffe hatte die Finsternis gerade die ganze Welt verschlungen.
Mit kräftigen Beinschlägen beförderte er sich an die Oberfläche, wo er sich sofort nach Grald umsah.
Von dem war nichts zu sehen, das war nicht gut. Mir wäre es viel lieber, wenn er mir nachkäme, dachte Drakonas.
Mit Mühe erreichte er das Ufer. Zum Glück unterstützte ihn die Strömung, die ihn an die langen, knorrigen Wurzeln eines Baumes spülte. Dort zog Drakonas sich aus dem Wasser, kroch ein Stückchen an Land und brach dann auf dem warmen Sand zusammen.
Jeder Atemzug war wie Feuer. Er hatte mindestens eine gebrochene Rippe, vielleicht auch mehrere. Sein linker Arm war zu nichts zu gebrauchen, dort staken die gesplitterten Knochenenden durch die tiefrote, schon anschwellende Haut. Würgend erbrach er das Flusswasser, um dann matt und zitternd vor Kälte zurückzusinken.
Der Fluss stieg an, bis über seinen Kopf, zog ihn ins dunkle Wasser …
Erschauernd wachte Drakonas wieder auf. Er starrte zum Himmel empor. Wie lange war er bewusstlos gewesen? Offenbar eine ganze Weile, denn das Sonnenlicht ließ bereits nach. Oder verlor er sein Sehvermögen? Vor Kälte klapperte er so mit den Zähnen, dass er sich auf die Zunge gebissen hatte. Er schmeckte das Blut in seinem Mund.
Zwar konnte er sich selber heilen, doch dazu musste er bei Bewusstsein bleiben. Er musste den Zauber zu Ende denken, aber die Schmerzen ließen alle Farben zu einer schwarzen Masse verlaufen.
Edward und Melisande. Ich habe sie Grald gezeigt. Ich habe ihm unsere Pläne verraten. Er weiß, wo sie sich verbergen.
Eine schlaue Falle, so schlau! Ich habe Maristaras Kumpan gefunden, mit ihm gesprochen, mit ihm gekämpft,
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