Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
Drachenmeisterin zu, doch die war so krank, dass sie sich nicht von ihrem Lager erheben konnte.
Während der Körper der Meisterin immer schwächer wurde, schien ihr Geist zu erstarken. So jedenfalls kam es Melisande vor. Die Stimme war nur noch ein zittriges, dünnes Flüstern, doch die Befehle waren klar und entschieden. Obwohl ihre Hand zitterte, konnte sie Melisande dennoch festhalten.
»Diese Nacht ist so wichtig für unsere Zukunft«, erklärte die Meisterin, als sie sich auf ihre Kissen legte. »Ich hätte alle Anweisungen noch einmal mit dir durchgehen sollen. Aber es gibt noch so viel zu tun … so viel …«
»Ruh dich aus, Meisterin«, erwiderte Melisande. Sie saß auf der Bettkante und strich der alten Frau mit sanfter Hand die grauen Haare aus der Stirn. »Du wirst noch viele Paarungsnächte mit uns erleben. Die Vertreibung des Drachen war zu anstrengend für dich. Es geht dir bald wieder besser.«
»Die Schatten nähern sich bereits«, wehrte die Meisterin ab. »Morgen früh kommst du zu mir, Melisande, dann beginnen wir mit der Totenwache.«
»Meisterin, nicht!« Melisande kämpfte gegen ihre Tränen. Ihr Weinen würde der Meisterin missfallen. »Noch nicht. Was sollen wir ohne dich tun? Das schaffe ich nicht! Ich bin noch nicht so weit.«
»Du hast bei der Schlacht bewiesen, dass du so weit bist.«
»Ich muss noch so viel lernen!«
»Du schaffst es, Melisande. Wir alle schaffen es, wenn unsere Zeit kommt. Und wisse, dass ich bei dir bin.« Die Meisterin tätschelte ihr die Hand. »Ich werde immer bei dir sein. Und nun«, fügte sie knapp hinzu, »trockne deine Tränen, und höre mir genau zu. Wenn du die rituelle Begrüßung durchführst, heißt du die Männer willkommen und preist sie für die Taten, die sie vollbracht haben, um sich dieser Ehre würdig zu erweisen. Aber fasse dich kurz, damit niemand ungeduldig wird«, ergänzte sie. »Wenn du damit fertig bist, entlässt du die Frauen in ihre Zimmer, damit sie sich fertig machen können. Nach einer angemessenen Wartezeit führen die Wachen die Männer hinüber. Wenn jeder Mann ein Zimmer betreten hat, werden die Türen verschlossen und versiegelt.«
Die Meisterin schien noch etwas sagen zu wollen, aber sie brauchte ihren Atem zum Atmen, nicht zum Reden. Sie schloss die Augen, keuchte und hustete.
Melisande erhob sich. »Überanstrenge dich nicht, Meisterin. Ich kenne den Ablauf der Zeremonie. Schließlich habe ich sie oft genug mit angesehen. Ruh dich jetzt lieber aus.«
Die Meisterin verzog das Gesicht. »Das tue ich ohnehin bald, Melisande. Zum Ausruhen habe ich die ganze Ewigkeit. Wo war ich? Hilf mir auf die Sprünge, Tochter.«
»Die Männer sind in den Räumen und die Türen verschlossen, Meisterin.«
»Das Essen und die Getränke …«
»Steht alles bereit, Meisterin. Ich habe bereits angeordnet, die Speisen und Getränke in die Zimmer zu bringen.«
»Mit den besonderen Kräutern! Die hast du doch nicht vergessen?«
»Nein, Meisterin. Die Speisen und der Wein sind mit den Aphrodisiaka versetzt.«
»Und mit den Fruchtbarkeitstränken«, mahnte die Meisterin. »Die Frauen müssen heute Nacht diese Tränke zu sich nehmen.« Sie versuchte, sich aufzurichten. »Ich muss mich darum kümmern.«
»Ich habe darauf geachtet, Meisterin«, versicherte Melisande. »Die Frauen wissen, was sie zu tun haben. Morgen früh werde ich alle persönlich aufsuchen und prüfen, ob sie wirklich gehorcht haben. Sie kennen die Wichtigkeit der Paarung genauso wie wir alle.«
Enttäuscht von ihrem Mangel an Kraft, ließ sich die Meisterin wieder zurücksinken. »Du betest mit den anderen die ganze Nacht. Betet darum, dass der Zeremonie gesunde, kräftige Kinder entspringen.«
»Ja, Meisterin. Die Omen sind gut. Heute und gestern Nacht kamen fünf gesunde Kinder zur Welt.«
Die Augen der Meisterin wurden heller. »Fünf?«
»Drei Mädchen und zwei Jungen. Und vier Kinder wurden heute abgestillt und von ihren Müttern in die Kinderstube gebracht.«
»Ich erinnere mich an den Tag ihrer Geburt. Lauter Knaben.«
»Alle vier, Meisterin.«
»Nun gut.« Die alte Frau seufzte. »Es ist Gottes Wille. Wenigstens haben wir heute drei gesunde Mädchen bekommen.«
»Die Jungen können jetzt in ihre Familien gebracht werden, aber du hast mir nie verraten, wie das geschieht. Ich weiß nur, dass sie bei Nacht fortgebracht werden und dass niemand weiß, wie oder wann.«
»Um der Mütter willen«, versicherte die Meisterin sanft. »Für sie ist das eine
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