Das verbotene Land 2 - Drachensohn
Herzen: Wenn du die Magie benutzt – sobald du aus deinem kleinen Raum heraustrittst –, wird der Drache auf dich warten.«
Die nächsten Stunden verstrichen unter Schweigen. Bellona hatte nie viel geredet, und Markus war damit zufrieden, seinen eigenen Gedanken nachhängen zu können. Drakonas sann nach, welche Magie er benutzen konnte, um das Boot möglichst gut vor den Kinderschmugglern zu verbergen. Eine Illusion war nicht ratsam, denn er befürchtete, dass zumindest einige der Männer mit Drachenmagie im Blut Illusionen durchschauen konnten, selbst die mächtigste Illusion, die ein Drache wirken konnte – jene, die Drakonas wie einen Menschen aussehen, fühlen und handeln ließ.
Doch wenn er sie nicht mit einer Illusion täuschen konnte, konnte er das Gegenteil probieren – das Entfernen. Ein Illusionszauber erweitert die Realität um etwas nicht Reales. Ein Entfernungszauber nimmt ihr etwas, das tatsächlich da ist, lässt Dinge scheinbar verschwinden. Es war ein komplizierter Spruch, den er im Sinn hatte. Die Menschen in seinem Zentrum mussten das Ding, das verschwand, weiterhin wahrnehmen können, sonst würden sie verständlicherweise glauben, verrückt zu werden. Jeder andere, der auf das Boot und seine Insassen blickte, sollte es nicht sehen. Es würde da sein und auch wieder nicht.
Nachdem er überlegt hatte, wie er den Zauber umsetzen konnte, kam der wirklich schwierige Teil. Er musste ihn den Menschen erklären.
»Ich werde das Boot und euch beide verzaubern, so dass ihr wie ein Chamäleon mit eurer Umgebung verschmelzt. So wie bei dem Fenster, als wir in der Hütte gekämpft haben.« Er sah Bellona an.
Diese nickte schweigend. Nur ihr Kinn zuckte ein wenig bei der Erinnerung.
»Wer in eure Richtung blickt, wird euch nicht sehen. Man kann euch aber hören, wenn ihr etwas sagt, wenn ihr ins Wasser fallt oder wenn ihr gegen sie prallt. Ihr müsst also trotzdem aufpassen.«
Die zwei nickten, obwohl beide ihre Zweifel zu haben schienen.
Drakonas bewegte die Hand, die – wie immer beim Zaubern – die schuppige Klaue eines Drachen war. Die Magie glitzerte über seine Krallen und blitzte in Richtung Boot. Dort rann sie durch jede Faser des Holzes, vom Bug bis zum Heck und zurück, tanzte über die Ruder und lief dann über die beiden Menschen, die in seinen Augen nun in der Dunkelheit aufleuchteten, so wie die Menschen sich Engel vorstellten. Im Handumdrehen, schneller als bei einem Blitz, war es wieder finster.
Der Zauber war gewirkt.
Die Menschen wussten nichts davon und sahen auch nichts.
»So«, erklärte Drakonas. »Jetzt seid ihr praktisch unsichtbar.«
Bellona konnte das Boot deutlich erkennen. Sie schnaubte ungläubig. Selbst Markus mit seinem Sinn für Magie hegte Zweifel.
»Steigt aus dem Boot, Bellona«, forderte Drakonas sie auf. »Und kommt hier herüber.«
Sie zögerte. Misstrauisch starrte sie ihn an, ehe sie seiner Bitte nachkam. Markus hielt das Boot mit den Rudern an Ort und Stelle, während sie geschickt ausstieg und über die Felsen zu Drakonas kletterte.
»Jetzt seht das Boot an«, sagte er.
Bellona wandte sich zum Fluss. Sie starrte hinüber, schüttelte den Kopf, sah erneut hin und runzelte die Stirn.
»Ich hasse das«, knurrte sie.
»Ich weiß«, antwortete er leise. »Aber wenn ihr Nem retten wollt, ist es notwendig.«
Als Bellona zum Boot zurückkam, hielt sie sich gut fest, als wolle sie sich vergewissern, dass es real war, ehe sie wieder einstieg.
»Er hat Recht. Von da drüben aus ist das Boot unsichtbar«, klärte sie Markus auf.
»Genau wie ihr, solange ihr im Boot bleibt«, ergänzte Drakonas. »Sobald ihr es verlasst, kann man euch sehen. Deshalb braucht ihr die Verkleidung.«
Er wies auf die zusammengefalteten Mönchskutten, die auf dem Boden des Boots lagen.
Markus verzog das Gesicht. »Warum machst du uns nicht mit demselben Spruch unsichtbar?«
»Klingt gut, funktioniert aber nie«, antwortete Drakonas. Grinsend fügte er hinzu: »Einer niest immer.«
Er schaute zum Mond auf, der bereits ein ganzes Stück gewandert war. »Sie werden bald zurück sein. Ich verschwinde mal.«
»Pass auf dich auf«, fügte Drakonas so leise hinzu, dass es nur Markus hören konnte. »Und auf Bellona. Sie liebt Nem, doch weder sie noch er weiß das.«
Markus nickte.
In der Ferne hörte man ein Baby schreien. Schon kamen die Boote in Sicht. Wie schwarze Schatten großer Käfer glitten sie über die mondlichtbeschienene Wasseroberfläche.
»Da kommen sie«,
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