Das verbotene Land 2 - Drachensohn
sein, dass Nem beim Drachen ist?« Bellona war immer noch zu Diskussionen aufgelegt.
»Ich bin mir nicht sicher«, gab Drakonas zurück. »Aber es dürfte ein guter Ort sein, um dort mit der Suche anzufangen.«
Insgeheim war er fest davon überzeugt. Nem war nicht grundlos in diese Welt getreten, und allmählich glaubte Drakonas, den Grund zu begreifen. Er hatte das niemandem gegenüber erwähnt, nicht einmal gegenüber Anora, denn er hoffte, sich zu irren. Er wollte sie weder unnötig beunruhigen noch eine Panik im Parlament auslösen. Nem war ein Zuchtversuch. Ein gelungener, nachdem andere fehlgeschlagen waren. Wenn der Drache einen Sohn wie Nem gezeugt hatte, gab es vielleicht noch weitere.
Sie versteckten das Boot unter einem Felsvorsprung. Von hier aus hatten sie die Höhle im Blick, waren jedoch selbst nicht zu sehen. Da das Boot keinen Anker hatte, befestigten sie es an einer Baumwurzel. Um diese Jahreszeit floss der Strom nur träge dahin. Das Boot schaukelte sanft im Wasser und zog dabei nur leicht an dem Tau.
Drakonas saß im Bug. Er fragte sich, was er tun sollte, wenn Bellona Recht behielt und die Kinderschmuggler nicht auftauchten. Dickköpfig wie sie war, würde sie losstürmen und alles durcheinander bringen. Doch seine Sorge erwies sich als unbegründet. Als es über dem Fluss dunkel wurde, glitt ein Boot aus der Höhle, dem rasch drei weitere folgten. Es waren große Boote, die jeweils mit mehreren Ruderern bemannt waren. In der Mitte saßen gedrungene Gestalten in schwarzen Gewändern, die Frauen, die sich auf der Rückfahrt um die Babys kümmern würden. Drakonas hielt Ausschau nach Grald, sah ihn jedoch nicht.
Die Boote mit den Kinderschmugglern änderten den Kurs, sobald sie die Höhle verlassen hatten. Sie würden westwärts fahren, bis sie die Gabelung im Fluss erreichten, dann nordwärts in Richtung Seth. Die Ruderer waren kräftig und geübt. Sie würden schnell vorankommen. Drakonas ging davon aus, dass sie gegen Mitternacht zurückkehren würden. Er ließ sich neben dem Boot ins Wasser gleiten.
»Was macht Ihr da? Wo wollt Ihr hin?«, fragte Bellona sofort.
»Still!«, warnte Drakonas, der auf der Stelle Wasser trat. »Diese Schlucht verstärkt jedes Geräusch. Ich schwimme zur Höhle und prüfe, ob sie eine Wache dort gelassen haben.«
Ehe sie etwas dagegen sagen konnte, tauchte er unter und kam erst ein ganzes Stück weiter wieder an die Oberfläche. Er schwamm wie ein Drache, den Kopf über Wasser, Arme und Beine darunter. Seine Züge waren kraftvoll, doch er achtete darauf, nicht die Oberfläche zu durchbrechen. Lautlos schwamm er in die Höhle, lauschte, sah sich um und suchte die Dunkelheit ab.
Niemand. Diesmal hatte Grald sie nicht begleitet.
So weit, so gut.
»Und?«, fragte Bellona knapp, als Drakonas sich auf den Felsvorsprung zog. »Jemand dort?«
»Nein.« Er wischte das Wasser aus Gesicht und Augen und schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Keine Wache. Das vereinfacht die Sache. Sobald die Schmuggler zurück sind und die Höhle betreten, zählt ihr bis hundert. Dann folgt ihr ihnen. Achtet darauf, sie im Blick zu behalten. Der Eingang zu ihrer Festung ist gut verborgen.«
»Aber ich dachte, du würdest uns begleiten«, unterbrach ihn Markus argwöhnisch. »Wo bist du dann?«
»Glaube mir, ich würde nur zu gern mitkommen«, erklärte Drakonas nachdrücklich. »Ich denke die ganze Zeit darüber nach.« Er schüttelte den Kopf. »Aber es ist unmöglich. Es geht einfach nicht.«
»Auch gut«, meinte Bellona.
»Nein, ganz und gar nicht«, gab Markus verärgert zurück. »Ich will, dass er mitkommt. Er soll nicht meinen Vater holen. Ich verstehe das nicht. Du kannst dich doch verkleiden.«
»Ich bin bereits verkleidet. Sieh mich doch an«, fügte Drakonas ungeduldig hinzu. »Was siehst du?«
»Einen Mann«, antwortete Markus.
»Und?«, hakte Drakonas nach.
Markus warf einen Blick auf Bellona.
»Sie weiß es«, klärte Drakonas ihn auf. »Sie weiß, wer und was ich wirklich bin. Genau wie du – nur indem du hinsiehst. Du siehst mich, aber du siehst auch den Drachen.«
»Nur unscharf. Wie einen Schatten an einem heißen Tag. Und auch nur, weil ich weiß, wonach ich Ausschau halten muss.«
Drakonas schüttelte den Kopf. »Es ist zu riskant, Markus. Aber ich hole weder deinen Vater noch jemand anderen. Wenn ihr Probleme bekommt, werdet ihr mich brauchen. Wir bleiben in Kontakt. Meine Gedanken werden dich begleiten. Denk daran und nimm dir meine Warnung zu
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