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Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Titel: Das verbotene Land 2 - Drachensohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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in der Vorstellung eines Akrobaten.
    Ein Mensch, der den Geist eines Drachen betreten konnte!
    Jetzt hatte Drakonas immerhin eine Ahnung, was sich im Kopf des Jungen abspielte.
    Markus belauschte Drachen.
    Die »schönen Farben«, die Markus sehen konnte, waren Drachengespräche, Drachengedanken, Drachenträume. Die Magie im Blut des Kindes hatte auf eine Weise reagiert, die niemand hätte ahnen können. Sie hatte ihm die Fähigkeit verliehen, als ungebetener Gast in die tiefen Schatten des Innenlebens eines Drachen zu schlüpfen.
    Markus war ein leiser, unaufdringlicher Beobachter. Still und reglos saß das Kind auf der obersten Stufe über dem Bankettsaal, wo es zusah, wie die Erwachsenen tanzten, lachten und redeten. Unauffällig stromerte er durch die Gassen der Drachengedanken, lauschte an einem Fenster, was wohl im Haus vor sich ging, oder blieb horchend vor einer Tür stehen. Kein Drache bemerkte das Menschenkind. Für Drachen war es nur ein Staubkorn, denn keiner hätte eine solche Katastrophe für möglich gehalten.
    Das Gesetz der Drachen verpflichtete Drakonas, sofort Anora zu verständigen. Die Ministerin musste diese erschütternde Neuigkeit erfahren. Er wusste genau, was geschehen würde, wenn sie davon hörte. Sie würde ihm befehlen, das Kind zu ihr zu bringen. Dann musste er gehorchen. Wenn er sich weigerte, würde das Parlament ihn für seine Widersetzlichkeit strafen. Man würde ihm seine Menschengestalt nehmen, und wenn er ihrer oft auch überdrüssig war, sie verfluchte und mitunter gar hasste, konnte er die Vorstellung, sie zu verlieren, doch nicht ertragen.
    Ebenso wenig wie den Gedanken daran, dieses Kind irgendwo einzusperren. Denn das wäre Markus' Schicksal. Es wäre zu riskant für die Drachen, diesen Menschen durch die Welt streifen zu lassen, wo er jederzeit ihre Gedanken belauschen oder gar tun könnte, was er bei Drakonas getan hatte – den Geist eines Drachen betreten und ihm erklären, er solle »weggehen«.
    Außerdem war da noch Grald zu berücksichtigen.
    »Im ersten Impuls wird er den Jungen umbringen wollen, denn er stellt eine enorme Bedrohung dar. Aber dann lässt er ihn vielleicht doch am Leben«, überlegte Drakonas. »Um ihn zu benutzen. Eine gefährlichere Waffe gegen uns gibt es nicht. Seine armseligen Mönche sind nicht in der Lage, Drachengedanken zu lesen. Jedenfalls noch nicht. Wenn Grald dieses Kindes habhaft wird und herausfindet, wie es das anstellt, könnte Grald seinen Mönchen dasselbe beibringen. Solche Menschen könnten uns unendlichen Schaden zufügen. Und Grald wird die Wahrheit über Markus herausfinden. Früher oder später wird er ihn in seinem eigenen Verstand erwischen – falls es nicht bereits geschehen ist.«
    Während der Wagen weiterrumpelte, warf Drakonas einen Blick auf das schlummernde Kind hinter sich. Es war eine sternklare Nacht mit einer schmalen Mondsichel. Der Schimmer der nächtlichen Himmelslichter raubte der Welt alle Farbe, so dass der Knabe jetzt leichenblass erschien. Drakonas betrachtete das schmale, bleiche Gesicht des Jungen, die weißen Arme und die Augen, die selbst jetzt unter den fest geschlossenen Lidern unruhig herumrollten.
    »Es war falsch, dass er gezeugt wurde«, flüsterte Drakonas voller Ingrimm. »Wir Drachen haben uns an seinen Eltern und an diesem Kind versündigt. Es wäre für alle das Beste, wenn ich ihm jetzt gnädig im Schlaf ein Messer ins Herz stoße. Und dann suche ich seinen Bruder, und tue bei dem dasselbe.«
    Drakonas zog das Messer aus der Scheide. Nachdenklich sah er die Waffe an, dann den schlafenden Jungen.
    »Das wäre gnädig. Aber nicht logisch.« Er schob das Messer zurück. »Grald ist nicht der Einzige, der sich Melisandes Söhne zunutze machen kann. Auch nicht der Einzige, der Drachengesetze brechen kann. Ich werde es Anora nicht verraten. Dem Parlament auch nicht. Ich handele, wie ich es für richtig halte!«
    Drachen sind von Natur aus Einzelgänger. Die meiste Zeit ihres langen Lebens verbringen sie in sich versunken mit Nachdenken und Träumen, Forschen und Sinnieren. Untereinander kommunizieren sie mental und benutzen dazu eine lautlose Sprache aus miteinander verwobenen Farben. Ihr Leben verläuft isoliert, doch gelassen, denn sie wünschen nicht einmal Kontakt zu ihrer eigenen Art. All das Flügelschlagen, Schuppenrasseln und Krallenscharren reißt sie nur aus ihren Gedanken und stört ihre Träume. Die schlimmsten Jahre eines Drachen sind die, in denen er seine Jungen großzieht –

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