Das verbotene Land 2 - Drachensohn
sind wir alle verdammt!«
»Meiner Seele ist er willkommen, wenn er sie finden kann.« Federfuß packte Evelina und zog sie an sich. Er flüsterte ihr zu: »Ich halte sie hin. Hol du eine Decke und wirf sie dem Monster über die Beine.« Er fummelte in seiner Tasche herum. »Hier ist der Schlüssel für den Käfig.«
Zögerlich warf Evelina einen Blick auf den Wagen. Das Monster zu verhöhnen, wenn man auf der anderen Seite des Gitters war, das war schön einfach. Aber zu ihm in den Käfig zu steigen. Und wenn es doch ein Dämon war?
»Ich weiß nicht.« Ihre Stimme stockte.
»Mach schon, verdammt!« Federfuß verdrehte ihr warnend den Arm. »Bevor dein Fortgehen auffällt.«
Evelina sah erst ihn an, dann ihren Vater, der am Wagen stand, den Mönchen zuschaute und sich den Schweiß von der Stirn wischte. Sie nahm den Schlüssel, hielt ihn gut fest und marschierte zu ihrem Wagen. Dabei massierte sie ihren Arm.
»Wo will sie denn hin?«, fragte die Nonne argwöhnisch. Ihre Augen waren unfreundlich auf Federfuß gerichtet.
»Sie schließt die anderen Wagen auf«, gab er zurück. Er legte die Hände aneinander, als wollte er beten. »Möchtet Ihr etwas essen, so lange Ihr wartet, Schwester?«
Die Nonne ließ sich nicht zu einer Antwort herab.
Federfuß blieb mit verschränkten Armen stehen. Eine Hand spielte mit dem Messergriff in seinem Ärmel. Die beiden Mönche hatten den ersten Wagen betreten. Man hörte das leise Klirren einer Zimbel und den Aufprall, als ein Teil der Dekoration umkippte. Federfuß hoffte, er würde die Mönche auf den Kopf treffen. Heimlich behielt er Evelina im Auge. Sie war in seinen Wagen gestiegen, hatte eine Decke herausgeholt und stand jetzt zögernd an der Treppe. Stirnrunzelnd forderte er sie mit einer unwirschen Kopfbewegung auf, sich zu sputen.
Ein neuerlicher Knall und ein Poltern lenkten die Nonne ab. Evelina flitzte hinter den nächsten Wagen. Dann konnte Federfuß sie nicht mehr sehen. Er wandte sich an die Nonne, um ihr ein gewinnendes Lächeln zu schenken.
»Seid Ihr sicher, dass Ihr Euch nicht setzen möchtet, Schwester? Es könnte eine Weile dauern.«
Mit der Decke in den Armen eilte Evelina unter Verwünschungen zornglühend hinter den Wagen entlang. Sie war es nicht gewohnt, herumkommandiert zu werden. Ebenso wenig hatte man sie je hart angefasst. Ihr Vater hatte sie nie unsanft behandelt. Morgen würde sie einen hässlichen Bluterguss auf dem Arm haben.
»Das soll er mir bezahlen«, schwor sie sich.
Im Dunkeln konnte sie schlecht sehen, denn die Wagen schirmten sie vom Fackellicht ab. So trat sie knöcheltief in eine Pfütze hinter dem Wagen der Zwillinge, was ihre Laune nicht gerade besserte. Evelina drohte ihrem Vater, ihrem Liebhaber und jedem sonst, der sie in diese Lage gebracht hatte. Ehe sie es recht bemerkte, war sie schon am Käfig des Monsters angelangt.
Dort machte sie Halt. Bei Nacht wirkte der verhüllte, unförmige Wagen im kalten Licht der Sterne beängstigend. Sie drückte die Decke an die Brust und ging langsam um den Käfig herum zur Tür. Lauschend hielt sie den Atem an. Doch sie vernahm keinerlei Geräusche von drinnen.
»Es muss noch bewusstlos sein«, sagte sie sich. »Oder es schläft. Oder es ist tot.«
Sie wollte das nicht tun. So verharrte sie noch vor dem Wagen, um allen Mut zusammenzunehmen. Dass aus dem Käfig keine Geräusche drangen, half ihr ebenso wie der Gedanke an das Geld, das sie in ihrem Zorn ganz vergessen hatte. Zwanzig Taler hatte Federfuß gesagt. Zaghaft hob Evelina die Decke über dem Gitter an und schlüpfte darunter.
Die schweren Falten des Tuchs drückten sie an den Käfig. Jetzt war sie von absoluter Finsternis umgeben. Es stank nach Urin, Blut, Leder und nassem Stroh. Doch Evelina hatte schon Schlimmeres gerochen. Sie achtete nicht auf den Gestank. Das Monster konnte sie nicht sehen, doch sie sah schließlich nicht einmal die Hand vor Augen. Es gab kein Geräusch von sich. So tastete sie im Dunkeln nach dem Schloss. Schließlich musste sie doch das Tuch zurückschlagen, um etwas Licht einzulassen. Während sie erleichtert frische Luft einatmete, warf sie einen Blick zum Lager.
Am Feuer standen Federfuß und die Nonne. Die Mönche durchsuchten die anderen Wagen. Trotz all des Durcheinanders herrschte eine eigenartige Stille. Die Mönche sprachen kein Wort. Alles hielt den Mund. Ramone wanderte ziellos umher und knetete seinen Hut.
Der schöne Hut ist ruiniert, dachte Evelina verstimmt.
Keiner achtete auf den
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