Das verbotene Land 2 - Drachensohn
machen.«
Bellona starrte ihn durch die Regenfluten an. Sie schien etwas sagen zu wollen, besann sich aber. Kopfschüttelnd erklärte sie stattdessen: »Es ist ein Weg voller Gefahren. Ich übernehme nicht die Verantwortung für dich, Königssohn. Kehr zurück zu deinen Büchern und seidenen Kissen. Das ist dein Leben. Nem und ich führen ein anderes Leben.«
»So leicht wirst du mich nicht los.« Markus lief ihr einfach nach, ohne auf ihren Protest zu achten. »Ohne mich findest du ihn nicht. Wir können nämlich miteinander reden.« Er tippte an seinen Kopf. »Hier drin.«
Sie erwiderte nichts, sondern bahnte sich weiter einen Weg durch das nasse Gras hinunter zum Fluss, in den ebenfalls der Regen prasselte.
»Ich kann sehr eigensinnig sein«, fügte er hinzu. Mit langen Schritten passte er sich ihrem Tempo an. »Offenbar bin ich meiner Mutter sehr ähnlich.«
Bellona warf ihm einen Blick zu. Dann sah sie wieder geradeaus. Sie war froh, dass der Regen jenes andere, sanftere Wasser in ihren Augen verdeckte. »Zu ähnlich«, grollte sie.
Edward trieb sein Pferd unbarmherzig an, doch der tobende Sturm zwang ihn schließlich doch, vor dem Hagel Schutz zu suchen. Sobald der Regen nachließ, ritt er weiter. Als er schließlich das Grab erreichte, war der Sturm vorüber. Die Sonne tauchte noch einmal auf, um dann langsam zu versinken. Ihre letzten Strahlen ließen den angeschwollenen Fluss wie flüssiges Gold erscheinen.
Der König sprang von seinem erschöpften Pferd und rannte zum Grab. Dort suchte er den Boden ab und sah am niedergetretenen Gras, dass wirklich jemand erst kürzlich hier gewesen war. Die Spur führte zum Fluss. Schon wollte er ihr folgen, als ihn eine Stimme innehalten ließ.
»Das ist Zeitverschwendung. Sie sind längst weg.«
Edward zuckte zusammen. Es war, als wäre die Stimme aus dem Grab gekommen.
Hinter den Steinen, aber nicht aus ihnen erhob sich ein Mann.
»Drakonas! Ihr habt mich zu Tode erschreckt!«, knurrte Edward. »Was zum Teufel macht Ihr hier? Und wo ist mein Sohn?«
»Weg«, wiederholte Drakonas. Er stützte sich auf seinen Stab und starrte auf den vergoldeten Fluss.
Edward musterte ihn. »Mit ihr ?«
»Ja, mit Bellona. Sie waren hier. Bellona hat ihm alles erzählt.«
»Von seiner Mutter«, meinte Edward zögerlich.
»Alles«, betonte Drakonas. »Von seiner Mutter. Von Euch. Von Grald. Von der Vergewaltigung, dem Überfall – alles. Nun ja«, fügte er hinzu, weil er an Nem dachte, »fast alles.«
Edward verzog das Gesicht. »Das war nicht notwendig. Es bringt den Jungen nur durcheinander. Was will diese Frau überhaupt von ihm? Warum tut sie das? Will sie sich rächen?«
»Nein«, antwortete Drakonas. »Sie will ihren Sohn wiederhaben. Er ist davongelaufen, und sie weiß, dass Markus der Einzige ist, der ihr helfen kann, ihn zu finden.«
»Aber das ist doch verrückt!«, rief Edward erbost. » Sie ist verrückt! Woher soll Markus denn etwas über ihren Sohn wissen?«
»Sie sind Brüder. Sie wurden innerhalb weniger Minuten geboren. Als Melisande starb, gab ich das eine Kind Euch. Das andere schickte ich mit Bellona fort.«
»Zwillinge!« Edward war fassungslos. »Ich habe zwei Söhne.«
»Nein«, wiederholte Drakonas. Seine scharfe Stimme und die blitzenden Augen ließen Edward stocken. »Glaubt, was Ihr wollt, Majestät. Glaubt an Himmel und Hölle. Glaubt, dass die Erde eine Scheibe ist, oder dass sie rund ist. Glaubt, dass die Sonne um uns kreist oder wir um die Sonne. Glaubt, was immer Ihr wollt. Aber eines steht fest: Ihr hattet einen Sohn mit Melisande. Nur einen.«
Edward fragte sich, weshalb er ihm glauben sollte. Doch er tat es. So viel Leidenschaft konnte nicht lügen.
»Und das andere Kind?«, erkundigte er sich dennoch.
Drakonas blickte zu den Bergen im Norden. »Das ist der Sohn des Drachen.«
»Des Drachen? Seid Ihr verrückt?«, herrschte Edward ihn an. »Wie …« Er wurde rot und brach ab, denn er wusste nicht, wie er die Frage fortsetzen sollte.
Drakonas antwortete nicht.
»Ich will das verstehen«, meinte Edward schließlich frustriert.
»Nein, das wollt Ihr nicht. Dankt Gott auf den Knien dafür, dass Ihr es nicht versteht«, gab Drakonas zurück.
Er wandte seinen Blick wieder Edward zu und seufzte tief. »Reitet nach Hause, Majestät. Ihr habt eine Frau, andere Söhne und Euer Königreich.«
»Das hatte ich alles auch schon vor sechzehn Jahren«, fuhr Edward auf. »Als Ihr mich damals holtet, habt Ihr keinen Gedanken an meine Frau
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