Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Decke und schaute sich entsetzt um.
Markus antwortete nicht, denn er bekam kaum Luft. Das Boot schoss aus der Höhle. Die Soldaten verschwanden. Die Drachenaugen sahen Markus dabei zu, wie er die Ruder ins Wasser tauchte, zog, hob, sie eintauchte, immer wieder, bis die Augen weit hinter ihm lagen. Er war schweißüberströmt.
»Was ist denn?«, rief Evelina.
»Hast du den Drachen nicht gesehen?«
Ängstlich blickte Evelina zurück, dann wieder zu Markus.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe gar nichts gesehen.«
»Er war da. Er hat uns beobachtet.«
Oder?
Eine Illusion. Eine Illusion des Drachen, die Markus zeigen sollte, dass seine armseligen Tricks, auf die er so stolz war, im Vergleich zu dem, was der Drache vermochte, wie das Maunzen eines jungen Kätzchens waren.
Dann brach Markus über den Rudern zusammen. Er hatte seine Kraft verbraucht. Seine Hände glühten, und seine Armmuskeln waren so verkrampft, dass sie schon zuckten.
Ein kurzer Blick auf deinen Untergang. Komm, ich zeige dir den Rest! Sieh her, wie die Tänzerinnen den Schleier abwerfen! Alles um den Preis … deiner Seele.
Markus war in Versuchung. Einen kleinen Spalt konnte er die Tür ja öffnen.
»Sei kein Trottel«, erklang eine klare Frauenstimme.
»Du hast Recht.« Er schenkte Evelina ein müdes Lächeln. »Das wäre dumm.«
»Möglich«, bestätigte Evelina, die ihn fragend anschaute. »Aber ich habe kein Wort gesagt.«
10
Der Mond war aufgegangen. Er war zwar nicht mehr ganz voll, hatte jedoch erst eine schmale Sichel eingebüßt, so dass sein Licht den wolkenlosen Himmel noch immer weithin erhellte. Markus und Evelina setzten ihre Reise im Hauptstrom fort und hielten sich dabei vom Ufer fern. Nicht einmal Evelina wollte so dicht bei der schrecklichen Höhle übernachten. Jetzt ruderte sie das Boot, denn sonst hätten sie bei dem Ort ausharren müssen, der ihren Prinzen verrückt gemacht hatte.
Markus döste unruhig im Bug. Aber im Schlaf redete er immerhin kein wirres Zeug über das, was er in der Höhle gesehen hatte, oder über die Drachenstimmen, die er in seinem Kopf hörte. In der Höhle war gar nichts gewesen. Evelina hatte zwar den Kopf unter die Decke gesteckt, damit sie nichts Furchtbares sah, hatte aber doch von Neugier verzehrt zwischen den Falten hervorgelugt. So hatte sie gesehen, wie die leere, schwarze Höhle vorbeiglitt. Es hatte auch niemand mit Markus gesprochen.
»Du bist übermüdet und hungrig«, hatte sie Markus Trost zugesprochen. »Und deine armen Hände! So rot und blutig, als würden sie beim Fleischer aushängen. Lass mich ein Stück rudern.«
Natürlich hatte er widersprochen, aber schließlich hatte er Evelina – zu deren Überraschung – doch die Ruder überlassen und den Platz getauscht. Sobald sie den Bogen raushatte, ruderte sie ganz ordentlich. Evelina schaffte fast alles, was sie sich vornahm. Dieser Charakterzug trug sie schon lange beharrlich durchs Leben.
Zum Glück dauerte es nicht lange, bis sie das Boot aus dem Nebenarm, der an der Höhle vorbeiführte, in den Aston zurücklenken konnte. Dort ruderte sie nicht gegen die Strömung, sondern mit ihr, denn das Wasser floss nach Süden, ihrem Ziel entgegen.
»Wir müssen irgendwo Halt machen«, hatte Markus noch gesagt, ehe er eingeschlafen war. »Es ist gefährlich, im Dunkeln auf dem Fluss unterwegs zu sein.«
Das war ganz in Evelinas Sinne. Sie hatte nicht die Absicht, ihre Hände so zu malträtieren wie Markus. Schon jetzt bildeten sich die ersten Blasen. Rücken und Schultern taten ihr weh, und sie konnte auf der harten Bank kaum noch sitzen. Als sie daher Licht vor sich in der Dunkelheit schaukeln sah, hätte Evelina am liebsten Gott gedankt – falls sie ihn gut genug gekannt hätte, um sich diese Freiheit herauszunehmen.
Die Lichter gehörten Fischern, die zu einem nächtlichen Fischzug hinausgefahren waren. Mit Laternen lockten sie die Fische in ihre Netze. Das war es, was Evelina bemerkt hatte. Mit einem Fußtritt weckte sie Markus auf.
Natürlich waren die Fischer bass erstaunt, als eine junge Frau herbeiruderte. Sie staunten noch mehr, als sie ihren Passagier sahen, einen Mönch mit verbundenen Händen. Erst als Markus erklärte, wer sie waren, legte sich die Verwirrung. Er hatte nicht erwartet, dass man ihm glaubte, weil er schließlich nicht beweisen konnte, wer er war, doch zu seiner Überraschung wurde er sehr herzlich willkommen geheißen. Offenbar waren erst vor zwei Tagen Reiter des Königs durchs Dorf
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