Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
lindern wollte. Während er weiterruderte, fuhr das Boot um eine Biegung.
»Da ist es!«, rief Evelina gedämpft. Ihr war gerade noch eingefallen, dass sie ja leise sein sollte. Sie zeigte nach vorne.
Markus warf einen Blick über die Schulter. Der Fluss verschwand in einem schwarzen Maul, aus dem ihnen kalte, feuchte Luft entgegenströmte. Erschauernd warf Evelina ihm einen flehenden Blick zu, der mehr als deutlich sagte: »Es ist noch nicht zu spät, um umzukehren.«
Diese Worte hätte er am liebsten selbst gesprochen, ruderte aber dennoch vorwärts. Das schwarze Maul kam näher und näher. Es spie den Fluss aus und saugte sie in sich hinein.
Über ihnen türmte sich der Fels auf und verdeckte die Sterne. Markus lauschte, hörte aber nur das leise Gurgeln des fließenden Wassers, das an den Steinwänden entlangströmte.
Sie würden nicht sichtbar sein. Das schärfte Markus sich ein, ehe er weiterruderte. Die Öffnung kam näher. Er ruderte so leise wie möglich, aber dennoch erzeugten die Ruder ein Platschen, wenn sie ins Wasser tauchten. Dagegen konnte er nichts tun. Die Strömung war hier nicht sehr stark. Markus hoffte, dass ein kräftiger Schlag dem Boot ausreichend Schwung verschaffen würde, die ganze Höhle zu durchqueren. Dann musste er die Ruder im Inneren nicht eintauchen.
Der Eingang kam jetzt rasch auf sie zu. Markus hatte vergessen, wie niedrig er war. Nach einem erschrockenen Blick duckte sich Evelina und zog die Decke über ihren Kopf. »Ich kann nicht hinsehen!«, flüsterte sie.
Ein letztes Mal zog Markus an den Rudern, ehe er sie einholte und selbst den Kopf einzog.
Das Boot schoss über das Wasser hin auf das Maul zu. Rund um Markus war es nun so finster, dass selbst das matte Glitzern der Sterne und des Flusses dagegen hell erschienen. Er konnte nichts sehen. Ihm fiel ein, dass die Mönche Laternen an die Boote gehängt hatten, als sie in die Höhle gefahren waren.
Markus starrte wie gebannt zum Ufer hinüber, das er nicht sehen konnte. In der absoluten Schwärze der Höhle sah er überhaupt nichts. Da er auch nichts hörte, hoffte er allmählich, dass die Höhle leer war. Vielleicht konnten sie ungehindert hindurchfahren.
Aber noch wiegte er sich nicht in Sicherheit. Das Boot verlor an Fahrt. Bald musste er wieder rudern. Ihm schlug das Herz bis zum Hals, als er die Ruder aufnahm und langsam, damit sie nicht knarrten, ins Wasser senkte. Zu seiner endlosen Erleichterung sah er nun den Ausgang, eine erheblich größere Öffnung im Fels, in Sicht kommen. Im Dunkeln hatte er bereits befürchtet, die Richtung zu verlieren. Draußen glitzerte der Fluss im Sternenlicht. Markus hielt darauf zu.
Die Öffnung kam immer näher. Als Markus schon glaubte, sie würden tatsächlich unbehelligt davonkommen, blieb ihm fast das Herz stehen. Er hatte einen Lichtschimmer bemerkt.
Das Licht kam nicht von draußen, sondern aus den Tiefen des Wassers.
Markus blickte in den Fluss hinunter. Der Glanz nahm zu, dann sah er zwei Lichter. Sie waren goldrot, wurden größer und größer und kamen immer näher.
Er ruderte nicht weiter, obwohl seine Hände krampfhaft die Ruder umklammerten. Zwei rotgoldene Augen mit den schwarzen, geschlitzten Pupillen eines Reptils starrten zu ihm hoch.
Der Drache war unter ihnen im Wasser.
Entsetzt blickte Markus in diese Augen, die ihm starr folgten, während das Boot über die Oberfläche glitt. Jetzt nutzte das Boot nur noch den letzten Schwung aus, denn Markus' Hände waren taub und seine Arme völlig kraftlos. Er saß auf dem kleinen Stuhl in seinem kleinen Raum und zitterte beim Anblick der starren Augen. Mit scharfen Farben kratzten die Drachengedanken an seiner Seele.
»Komm heraus«, drängte Grald. »Ich will dir deinen Untergang zeigen.«
Markus blieb, wo er war, hielt auch die Tür verriegelt.
»Nur einen kurzen Blick«, bot Grald an.
Soldatenreihen marschierten auf Markus zu. Es waren Menschen in Uniformen, die im Mondlicht wie Drachenschuppen blinkten. Ihre Schritte wurden immer schneller, bis sie schließlich auf Markus zustürmten. Rund um das Boot erhob sich Wasser. Schon sah Markus es kentern. Gleich würde er in den Fluss fallen, wo der Drache ihn packen und ertränken würde.
Der Prinz griff nach den Rudern und tauchte sie tief ins Wasser, um das Boot zum Ausgang zu katapultieren. Trotz der Schmerzen in seinen verbundenen Händen ruderte er entschlossen vorwärts.
»Was ist los? Ich kann nicht hinsehen!« Evelina hob den Kopf aus den Falten der
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