Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
zu verehren. Nem war da anders. Er hat gelernt, Drachen zu hassen. So wie die Menschen in Seth.«
»Das stimmt, Meisterin. Aber die Nachricht von Gralds Tod wird sich herumsprechen. Wir können sie nicht abstreiten, denn nun muss jemand das Kommando über die Armee übernehmen. Vielleicht können wir die näheren Umstände vor den Menschen geheim halten, aber nicht vor den Kindern, die sich über Gedankenaustausch verständigen. Sobald sie herausfinden, dass Nem in der Lage war, seinen Drachenvater zu töten, werden sie die anderen Drachen ebenso verachten wie jetzt die Menschen.«
»Nein … niemals …«, murmelte Herzeleid kummervoll.
»Ich habe Gralds Experimente mit Menschen nie gutgeheißen«, stellte die Meisterin fest. »Ich fand, er beging einen Fehler, und das sagte ich ihm auch. Er hat für seinen Fehler bezahlt. Das wird keinem anderen Drachen so ergehen. Dennoch«, überlegte sie weiter, »könnten sich die älteren Kinder in dem anbrechenden Krieg als nützlich erweisen.«
Leopold schüttelte mit Nachdruck den Kopf. »Verzeiht mir, wenn ich hier widerspreche, Meisterin. Aber ich sagte bereits, dass man den Drachenkindern nicht trauen kann. Wenn sie sich nun mitten in der Schlacht gegen uns wenden?«
Herzeleid konnte die Gedanken sehen, die in Maristaras Geist wirbelten. Sie entsprachen ihren eigenen. Du fürchtest sie, du jämmerlicher Mensch. Du bist eifersüchtig auf sie. Aber … Maristaras Blick wanderte zu Gralds Körper. Aber du hast Recht. Es steht zu viel auf dem Spiel, um das Risiko einzugehen.
»Wo ist der Zweibeiner?«, fragte die Meisterin übergangslos.
Leopolds Antwort kam zögernd. »Ich … ich weiß es nicht, Meisterin. Grald hat ihn in Schach gehalten, indem er drohte, die Menschen zu töten, die ihm Schutz gewährt haben. Der Zweibeiner hat mir mitgeteilt, dass Grald tot war. Was sollte ich gegen ihn ausrichten? Ich bin ihm nicht gewachsen. Ich habe gesehen, wie er sich in einen Drachen verwandelte und davonflog.«
»Ihr habt beide verloren, den Zweibeiner und den Drachensohn. Drakonas kennt unsere Pläne für den Krieg«, folgerte die Meisterin grollend. »Und Grald ließ ihn am Leben! Noch so ein Fehler!«
Leopold ging zur Verteidigung über. »Grald wollte den Zweibeiner töten, Meisterin, sobald er Nems Körper übernommen hätte. Die anderen Drachen sollten Nem und nicht ihm die Schuld geben.«
»Ja, ja.« Die Meisterin starrte den toten Drachen hasserfüllt an. Du armseliger Wurm. Beinahe hättest du unseren Untergang heraufbeschworen. So viele sorgfältig ausgearbeitete Pläne und jetzt das! Gut, dass du tot bist, sonst würde ich dich jetzt eigenhändig umbringen.
»Mit Verlaub, Herrin«, erinnerte Leopold, »aber wenn Ihr Euch um die Drachenkinder kümmern wollt, solltet Ihr das tun, solange sie noch schlafen.«
»Ich finde, du wirst anmaßend, Mensch«, gab die Meisterin zurück. Sie richtete sich auf. »Ich weiß, was ich zu tun habe. Jemand wie du braucht mir keinen Rat zu erteilen.«
»Nein, Meisterin, natürlich nicht.« Leopold zog den Kopf ein. »Ich bitte um Vergebung.«
Der Drache hatte seinen Entschluss gefasst.
»Du nimmst deine Soldaten und tötest die Drachenkinder. Ich sorge dafür, dass das hier verschwindet.« Sie warf einen vernichtenden Blick auf den Leichnam.
Leopold runzelte die Stirn. »Aber, Meisterin, wäre es nicht besser, wenn du sie tötest?«
»Nein, das wäre es nicht«, fauchte Maristara. »Sag mir, Kommandant: Kannst du diesen Koloss wegschleppen, diese riesige Masse Fleisch und Knochen? Allein um den Schwanz anzuheben, würdest du die halbe Stadt brauchen. Dummerweise muss er jedoch auf eine Weise verschwinden, bei der niemand merkt, was hier wirklich geschehen ist.«
»Ich verstehe, Meisterin«, nickte Leopold, der jedoch nicht sehr glücklich aussah.
»Tötet die Kinder im Schlaf. Sobald sie tot sind, sucht ihr den Drachensohn.«
»Ja, Meisterin«, erwiderte Leopold. »Wie lautet mein Auftrag, was ihn angeht?«
»Töte ihn. Oh«, fügte die Meisterin noch hinzu, »und tötet auch alle schwangeren Menschenfrauen.«
»Ja, Meisterin.« Leopold verbeugte sich. »Anschließend würde ich gern zu meiner Schildfrau zurückkehren. Ich gehe davon aus, dass der Krieg unmittelbar bevorsteht.«
»So ist es.«
Herzeleid löste sich von ihrer Säule. Sie wagte nicht, sich umzusehen. Sie wagte nicht einmal, ihre Augen von der Meisterin abzuwenden, solche Angst hatte sie, dass diese Augen sich plötzlich auf sie richten könnten.
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