Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
uns nicht aufhalten. Und du auch nicht.«
Dann verschwand der Mann in Richtung Abtei.
Drakonas streifte die Illusion ab und verwandelte sich wieder in das Mädchen. Bedrückt sah er dem kleiner werdenden Mönch nach. Vermutlich hatte dieser Recht. Er konnte sie nicht aufhalten.
Anschließend warf er einen Blick auf Anton und Rosa, die auf ihren Stühlen schliefen. Morgen früh würden sie aufwachen und feststellen, dass das Kind, das sie bei sich aufgenommen und ins Herz geschlossen hatten, fort war. Sie würden glauben, der Mönch hätte es mitgenommen. Sie würden nach ihm suchen, sich vorsichtig erkundigen, aber niemals herausfinden, was aus dem Mädchen geworden war. Anton und Rosa würden traurig sein. Wieder einmal war Drakonas gezwungen gewesen, Menschen zu benutzen. Wieder einmal hatte er sie verletzen müssen.
Er hörte Flügel rauschen. Maristaras Schatten breitete sich über seinem Geist aus. Das Mädchen ging zu Rosa und küsste deren faltige Wange, während es ihr die Socken in die Hände legte. Danach gab es Anton einen Kuss, holte eine Decke und legte sie ihm um die Schultern.
Erst hinterher verließ Drakonas das Haus. Draußen griff er nach den Sternen und schwang sich in den Nachthimmel.
27
Auf Zehenspitzen schlich Herzeleid so leise wie möglich durch den Gang. Sie hatte sich noch nicht überlegt, ob sie Maristara ansprechen sollte oder nicht. Deshalb wollte sie den Drachen hören und sehen, ehe sie selbst gehört oder gesehen wurde. Schließlich wollte sie herausfinden, ob Nem die Wahrheit gesagt hatte. Wenn sie dazu mit dem Drachen sprechen musste, war sie bereit. Aber es sollte ihre Entscheidung bleiben. Nicht die des Drachen.
Wie bei Drachenhorten üblich hatte Grald zahlreiche Gänge erbaut, die zum Hauptsaal führten. Manche davon führten in den »Palast« unter dem Berg. In einem solchen Gang schlich Herzeleid gerade voran. Andere führten von außerhalb des Berges in die Abtei, damit man den Teil des Horts umgehen konnte, in dem die Soldaten der Drachenarmee wohnten. Manche Gänge waren eng, so dass der Drache sie nur in Menschengestalt durchschreiten konnte. Andere wiederum waren enorm breit, weil sie für den Drachen in seiner wahren Gestalt gedacht waren. Maristara drang durch einen dieser breiten Zugänge ein. Herzeleid kam durch einen der kleineren.
Sie verharrte jedoch im Schatten der Schwelle. Gegen Drachenaugen war jede Illusion nutzlos, darum verschwendete sie keine Energie darauf, sondern hielt ganz still und verbarg ihre Gedankenfarben. Immerhin war es eher unwahrscheinlich, dass der Drache nach ihr suchen würde. Sie war nur eines von Gralds Kindern. Dem Drachen brannten viel dringendere Fragen unter den Nägeln.
Maristara war alt, viel älter als Grald. Ihre Schuppen waren so dunkel, dass sie beinahe schwarz wirkten. Ihr Kopf war leicht geneigt, und die Schultern wirkten bucklig, wenn sie die Flügel an der Seite faltete. Bei jedem Schritt knirschten ihre Gelenke. Aber trotz ihres hohen Alters war Maristara nicht hinfällig. Mit schweren Schritten näherte sich ihr mächtiger Körper dem Saal und stapfte zu Grald hinüber. Dort schnüffelte sie an dem verkohlten, verstümmelten Kadaver. Der Gestank des Todes ließ sie zurückfahren.
In der Brust des Drachen begann es wütend zu grollen. Maristara schaute sich suchend nach dem Übeltäter um. Stück für Stück wanderte ihr bohrender Blick über die Halle und durchdrang die Dunkelheit. Herzeleid glitt hinter einen Pfeiler. Die glitzernden Augen des Drachen durchkämmten auch ihre Nische, bemerkten sie jedoch nicht. Dann richtete sich ihr Blick zusammen mit dem massigen Kopf auf die Tür, durch welche die Menschen den Saal betraten. Auch Herzeleid nahm die nahenden Schritte wahr – ein einzelner Mensch, der herbeirannte.
Der Drache hob eine Klaue. Ein goldenes Glitzern blitzte auf. Maristara besaß ein ähnliches Medaillon wie Grald, eines mit einem Menschenherzen darin. Die Magie des Drachen nahm Form an und war so mächtig, dass Herzeleid, die so nahe stand, das Verschwimmen der berauschenden Farben am Rand ihrer eigenen Gedanken wahrnehmen konnte.
Der Drache begann, seine Gestalt zu verändern. Dieser Vorgang erinnerte Herzeleid daran, wie Menschen Würste stopften. Er schien zu schrumpfen und drückte den gewaltigen Körper mühsam in den einer Menschenfrau. Das dauerte seine Zeit, und Maristara war kaum fertig, als auch schon die Tür aufflog und gegen die Wand knallte. Ein Mönch rannte herein.
Der Mann blieb
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