Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
zurück, um eine Revolution zu verhindern.«
»Doch wohl eher, um eine in Gang zu setzen«, entgegnete sie.
»Sind Sie immer so aggressiv?«
»Sind Sie immer so hinterlistig?«
»Sie haben offensichtlich keine Ahnung von guanxi. «
»Klären Sie mich auf.«
»Im Verlauf der schweren Zeiten unserer Geschichte haben die Chinesen sich immer wieder auf Freunde und Familie gestützt. Auf Leute, die ihnen vielleicht helfen konnten. Man nennt es zôu hòu mén . ›Durch die Hintertür.‹ Wer einen Gefallen annimmt, der muss ihn natürlich auch erwidern. Das hält das guanxi im Gleichgewicht.«
»Und was hält Sie davon ab, uns direkt in eine Katastrophe zu führen?«, fragte sie.
»Ich bin nicht der Feind. Diese Ehre gebührt Karl Tang.«
»Ich sehe die Grenze«, sagte Malone.
Cassiopeia richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Land unter ihnen.
Die Eisenbahnlinie schlängelte sich nordwärts und überquerte eine Autobahn, die laut Ivan die heutige Verbindung zwischen China und Vietnam darstellte. Die Straße bog nach Westen ab, die Eisenbahnstrecke nach Norden. Eine Brücke spannte sich über den Roten Fluss. Dort stauten sich Autos vor einem Kontrollpunkt.
Malone ging auf tausend Fuß runter.
»Da wären wir.«
46
Ni stürmte in das Gebäude der Zentralkommission für Disziplinarinspektion, das mit gutem Grund außerhalb des Zhongnanhai lag, eines von Mauern abgeschirmten Komplexes aus Palästen, Pavillons und Seen, der sowohl der Partei als auch der Regierung als Hauptquartier diente. Sein Treffen mit dem Parteigeneralsekretär hatte ihn beunruhigt. Nichts ergab Sinn. Alles schien Kopf zu stehen. Er war von Zweifeln zerrissen, von einer düsteren Wolke unvertrauter Emotionen ergriffen und von der Frage des Generalsekretärs aufgewühlt.
Was würde das Maß seines Lebens sein?
Stärke oder Schwäche?
Er hatte aus dem Auto im Büro angerufen und seinem gesamten Stab befohlen, sich im Konferenzsaal zu versammeln. Verbündete brauchte er, keine Verräter, und es wurde Zeit herauszufinden, wo jeder von ihnen stand.
Vierzehn Menschen erwarteten ihn. Neun Männer, fünf Frauen. Er gebot dem entstehenden Stimmengewirr mit erhobener Hand Einhalt und schickte sofort die Frauen weg. Dann sagte er zu den Männern: »Lassen Sie die Hosen herunter.«
Alle starrten ihn ungläubig an.
Er zog seine Pistole und richtete sie auf sie. »Ich sage es kein zweites Mal.«
Cassiopeia blickte aus dem Fenster auf die Gebirgslandschaft. Sonnenschein wärmte die Luft. Sie flogen inzwischen seit einer Stunde ohne Probleme über chinesisches Hoheitsgebiet. Sie warf einen Seitenblick auf Malone und war froh, dass sie mit ihm zusammen flog. Viktor Tomas hatte ihr zwar zweimal das Leben gerettet, aber letztlich vertraute sie nur Cotton.
Stillschweigend.
Er war nach Belgien gekommen, als sie ihn brauchte, und das bedeutete etwas.
Nähe zu einem Mann hatte sie bisher nur in den seltensten Fällen zugelassen. Es hatte sich immer als der beste Weg er wiesen, ihre Gefühle für sich zu behalten. Sie hatte einmal ge lesen, dass Frauen mit starken Vätern sich von starken Männern angezogen fühlten, und Malone erinnerte sie unbedingt an ihren Vater. Der war ein Gigant der Geschäftswelt gewesen, ein Selfmademan und Milliardär, auf den sowohl in Euro pa als auch in Afrika viele Augen geschaut hatten. Er hatte Ähnlichkeit mit Henrik Thorvaldsen gehabt, und wie sehr sie Henrik bewundert hatte, hatte sie erst nach seinem Tod begriffen. Der Tod schien jeden einzufordern, den sie liebte. Auch sie selbst konnte sterben, das hatten ihr die Erfahrungen im Museum lebhaft vor Augen geführt. Was für ein entscheidender Moment. Bald würde sie vierzig Jahre alt. Sie hatte keinen Mann, keine Kinder und niemanden, mit dem sie ihr Leben teilte. Sie wohnte allein in einem alten französischen Gutshaus und widmete ihr Leben der Aufgabe, anderen zu helfen.
Aber überging sie dabei nicht ihre eigenen Bedürfnisse?
Vielleicht wurde es Zeit, das alles zu ändern.
Sie freute sich immer darauf, Cotton zu sehen, und bedauerte es, wenn sie sich trennten. Versuchte sie, einen Ersatz für ihren Vater zu finden, den einen Mann in ihrem Leben, dem sie sich nie widersetzt hatte? Nein. Das wäre eine zu einfache Erklärung. Ihre Mutter hätte gesagt, dass Männer wie Äcker seien – man müsse sie sorgfältig bearbeiten und sich täglich um sie kümmern, damit sie eines Tages vielleicht Fr ucht trügen. Eine etwas zynische Sicht.
Für sie funktionierte
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