Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
interessante Wort, das Pau Wen verwendet hatte.
Stolz.
»Wir waren einmal das großartigste Volk der Welt«, erklärte der Ältere. »Unsere Überlegenheit war erwiesen. Während der Zeit der Tang-Dynastie durfte ein Fremder, der eine chinesische Frau geheiratet hatte, China nicht verlassen. Man hielt es für unvorstellbar, dass jemand eine Frau aus der chinesischen Zivilisation in ein weniger entwickeltes Land brachte.«
» Na und? Nichts davon spielt heute noch irgendeine Rolle .« Ni war frustriert, und das ließ er erkennen. »Sie hocken hier in aller Ruhe in Belgien, während wir in China kämpfen. Sie reden von der Vergangenheit, als wenn die sich so ohne Weiteres wiederholen ließe. Meine Aufgabe ist weit schwieriger, als Sie es sich vorstellen.«
»Herr Minister, Ihre Aufgabe ist nicht schwieriger als das, was viele Menschen vor Ihnen geleistet haben. Zu meiner Zeit gab es keine Zuflucht vor Mao. Kein öffentliches Gebäude blieb ohne seine Statue oder Büste. Überall hingen gerahmte Bilder von ihm – sie prangten auf Streichholzschachteln, Kalendern, Taxis, Bussen und Flugzeugen. Vorne an Feuerlöschfahrzeugen und Lokomotiven waren riesige Fotos von ihm befestigt, gesäumt von roten Flaggen. Doch genau wie heute war all das eine Lüge. Man sah Maos makelloses, vor Gesundheit rosig schimmerndes Gesicht. Dieses Bild hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem tatsächlichen Menschen. Er war alt und krank, seine Zähne waren schwarz. Er war hässlich und sah gebrechlich aus.« Pau zeigte auf den Krug mit den darin schwimmenden Fischen. »Damals wie heute ist China wie ein Fisch in einem Baumwipfel. Vollkommen verloren. An einem Ort, wo es nicht hingehört. Es hat keine Hoffnung, das zu überstehen.«
Nis Gedanken waren ein einziges Durcheinander. Die Pläne, die er für die Zeit nach seiner Rückkehr nach China gehegt hatte, erschienen ihm jetzt nicht mehr durchführbar. Er hatte vorgehabt, seine Anwartschaft auf das Amt des Parteigeneralsekretärs anzumelden. Viele standen zu seiner Unterstützung bereit. Sie würden den Prozess in Gang setzen und weitere Anhänger rekrutieren. Aber eine neue Bedrohung hatte sich erhoben, und die würde womöglich zu seinem Scheitern führen.
Er sah sich im Hof um und erinnerte sich an das, was sein Großvater ihn über Feng Shui gelehrt hatte.
Danach kam der Art, wie man wohnte, große Bedeutung zu. In welche Richtung man sein Haus baute, konnte sich als äußerst wichtig erweisen. Richte es nach Süden aus. Wählst du richtig, sind die Berge schön, das Wasser gut und die Sonne angenehm.
Sein Großvater war weise gewesen.
In der Verwirrung findet man Frieden. Wer in Frieden ist, der hält die Augen offen.
Er bemühte sich, diese Lektion zu beherzigen und seine Gedanken wieder zur Ordnung zu rufen. Er sagte sich, dass er die Ruhe bewahren musste.
»Karl Tang erkennt Chinas Verwirrung«, erklärte Pau. »Und er versteht den Wert des Nationalstolzes. Das ist äußerst wichtig, Herr Minister. Auch wenn das Land sich wandelt, darf niemand das Gesicht verlieren, am allerwenigsten die Partei.«
»Und jene Lampe gehört zu diesem Plan?«
Pau nickte. »Tang ist Ihnen einen großen Schritt voraus.«
»Warum sagen Sie mir das?«
»Das zu erklären würde viel zu viel Zeit kosten. Akzeptieren Sie einfach, dass ich aufrichtig mit Ihnen bin.« Pau streckte seine schwielige Hand aus und berührte Ni am Arm. »Herr Minister, Sie müssen sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen. Es ist gut, dass Sie von Tangs Interesse an der Lampe erfahren haben und hierhergekommen sind, aber die Bedrohung für China ist weit größer, als Ihnen bewusst ist.«
»Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«
Ni nahm sich übel, dass er diesen Dieb auch nur um Rat fragte.
»Sie sind ein Mann, vor dem man Respekt hat. Ein Mann, der Vertrauen genießt. Nutzen Sie das.«
Paus Schmeichelei beeindruckte ihn nicht.
Die Wahrheit wäre besser.
»Ein paar Stunden nach ihrem Aufbruch von hier wurde Cassiopeia Vitt von Tang gefangen genommen. Vor ihrer Entführung ist es ihr noch gelungen, die Lampe zu verstecken, und ich weiß wo. Ich hatte vor, sie selbst wieder an mich zu nehmen, aber jetzt sollte das Ihre Aufgabe sein.«
Paus ganze Hinterlist wurde nun deutlich. Er hatte Ni von Anfang an manipuliert. Und das gefiel Ni gar nicht. Aber da ihm keine andere Wahl blieb, fragte er: »Warum ist die Lampe eigentlich so wichtig?«
»Die Tatsache, dass Sie die Antwort auf diese Frage nicht kennen, belegt
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