Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
»Allerdings. Ich bin davon ausgegangen, dass wir miteinander reden würden.«
»Was wusstest du über Cassiopeia?«
»Ich hatte keine Ahnung, dass sie gefoltert wurde.«
Das glaubte er ihr.
»Wir haben eins und eins zusammengezählt, Cotton. Sollte Tang Parteigeneralsekretär werden, macht er fünfzig Jahre hart erkämpfter Diplomatie zunichte. Er glaubt, dass China von jedermann schlecht behandelt worden ist, und er möchte Vergeltung. Er wird die chinesische Dominanz auf jede nur denkbare Weise stärken. Im Moment sorgt die Abhängigkeit Chinas von ausländischen Energieträgern dafür, dass das Land nicht aus der Reihe tanzt. Wir Amerikaner halten eine Ölreserve für sechzig Tage vorrätig und die Japaner für hundert Tage. China verfügt kaum über Reserven für zehn Tage. Mit einer Seeblockade könnte man das Land mühelos gefügig machen. Achtzig Prozent von Chinas importiertem Öl kommen durch die Straße von Hormuz oder die Straße von Malakka. Diese Meeresstraßen liegen weit von China entfernt und werden von uns kontrolliert.«
»Die Chinesen benehmen sich also, weil sie wissen, was wir tun könnten?«
»So ungefähr. Allerdings wird die Drohung niemals laut ausgesprochen. Das würde im Umgang mit China den guten Ton verletzen. Sie mögen es nicht, wenn man sie an Schwächen erinnert.«
Malone war froh, dass er kein Diplomat war.
»Sollte Tang unbegrenzte Ölvorräte zur Verfügung haben, verlieren wir das einzige Druckmittel, das wir besitzen. China beherrscht inzwischen praktisch die Devisenmärkte der Welt, und das Land ist Amerikas größter Gläubiger. Wir geben das zwar nicht gerne zu, aber wir brauchen China. Sollten die chinesischen Ölquellen unbegrenzt fließen, kann das Land wirtschaftlich nach Belieben expandieren und die Politik durchsetzen, die es sich wünscht, ohne sich darum zu scheren, was andere davon halten.«
»Und das macht Russland nervös.«
»So sehr, dass sie vielleicht auf den Gedanken kommen, Karl Tang zu töten.«
Na gut, sie hatte ihn überzeugt. Das hier war eine ernste Angelegenheit.
»Ich weiß, dass du mich vielleicht für töricht hältst, aber glaub mir, ich habe mich abgesichert. Ich verlasse mich nicht hundertprozentig auf Ivan. Dennoch …«
»Du brauchst noch ein bisschen mehr Hilfe.«
»Etwas in der Art.«
»Ich nehme an, das bedeutet, dass wir Sokolov vor Ivan finden müssen. Und Cassiopeia scheint den schnellsten Zugang zu bieten.«
Sie nickte. »Spielen wir also das Spiel des Russen mit und suchen sie. Falls Ivan Tang aufhalten kann, ist das gut für uns. Falls nicht, brauche ich deine Hilfe dabei, Sokolov von seinen Feinden wegzuschaffen.«
Malone wusste nun, was Sache war. Selbst wenn Tang sich durchsetzen sollte und die Herrschaft über China ergriff, genügte es, wenn der Westen Sokolov hatte. Dann würde eine Trumpfkarte durch eine andere ersetzt.
»Ich hoffe nur, dass Cassiopeia durchhält, bis wir dort eintreffen.«
Tang blickte aus dem Helikopterfenster, als der Hubschrauber in die Nachtluft aufstieg. Er sah einen lodernden Lichtschein, der aus dem Gebäude von Grube 3 drang, und begriff, dass das Versteck mit Qin Shis verbliebenen Manuskripten abbrannte. In wenigen Augenblicken würden alle Seidentücher in Rauch aufgehen und die brüchigen Bambustäfelchen zu Asche verbrennen. Wenn irgendwann der Feueralarm ausgelöst würde, wäre schon nichts mehr übrig. Die Ursache des Brandes? Ein elektrischer Kurzschluss. Schadhafte Leitungen. Ein kaputter Trafo. Was auch immer. Nichts würde auf Brandstiftung hindeuten. Wieder war ein Problem gelöst. Ein weiteres Stück Vergangenheit war ausgelöscht.
Jetzt bereitete ihm Sorgen, was gerade in Belgien geschah.
Der Kopilot machte ihn auf sich aufmerksam und deutete auf ein Headset neben ihm. Tang stülpte den Kopfhörer über die Ohren.
»Sie haben einen Anruf, Herr Minister.«
Er wartete ab. Dann sagte eine vertraute Stimme: »Alles ist gut gelaufen.«
Viktor Tomas, der ihn aus Belgien anrief. Wurde auch Zeit!
»Ist Vitt unterwegs?«, fragte Tang.
»Sie ist geflohen, genau wie ich es vorhergesagt hatte. Allerdings ist es ihr gelungen, mich vor ihrem Aufbruch bewusstlos zu schlagen. Mein Kopf tut weh.«
»Können Sie ihr mit dem Peilsender auf der Spur bleiben?«
»Solange sie die Pistole behält. Bisher funktioniert das Signal des Minisenders, den ich darin angebracht habe.«
»Das war sehr vorausschauend. Hat sie sich gefreut, Sie zu sehen?«
»Nicht besonders.«
»Sie müssen
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