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Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)

Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)

Titel: Das verbotene Reich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Berry
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Gedanken waren einfach. Der Herrscher ist der Schöpfer des Gesetzes, seine Beamten sind Gefolgsleute des Gesetzes, und das Volk ist Untertan des Gesetzes. Der weise Herrscher verfügt über eine sechsfache Macht. Die Macht, zum Leben zu begnadigen oder zu töten, reich oder arm zu machen, zu befördern oder zu degradieren.«
    Die Philosophie der Legalisten fand auch in den anderen Staaten Verbreitung.
    Am Ende der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen, nach dreihundert Jahren unablässiger Kämpfe, waren gegen 481 v. Chr. noch zweiundzwanzig Reiche übrig. Die anderen waren von ihren Nachbarn geschluckt worden.
    »In der Zeit der Streitenden Reiche, die darauf folgte, wurden die Kämpfe noch schlimmer«, hatte Tangs Dozent berichtet. »Aus weiteren zweihundert Jahren ständiger Konflikte gingen schließlich sieben Reiche hervor, die jeder von einem Hegemon beherrscht wurden. Die Berater dieser Herrscher gehörten alle der Bruderschaft der Ba an und waren Legalisten. Sie lehrten, dass der Führer der stärksten Armee Tributzahlungen von anderen erhält, während der Führer der schwächeren Armee zu Tributzahlungen verpflichtet wird. Die Brüder der Ba verfestigten ihren Einfluss auf die Könige und befürworteten ein Ende des Feudalsystems. Einstmals ererbte Ämter wurden nun durch ernannte Beamte besetzt, die der Herrscher nach Belieben entlassen oder sogar hinrichten lassen konnte. Die zuvor erblichen Lehnsgüter wurden zu Verwaltungseinheiten umgegliedert, die den Namen Bezirke erhielten. Durch die Ernennung von Beamten, die für ihn reine Ausführungsorgane waren, konzentrierte der Hegemon auf kluge Weise alle Macht bei sich selbst.«
    Am Ende der Zeit der streitenden Reiche hatte die Ba die faktische Kontrolle über die Monarchen übernommen. Zwar waren andere Glanzleistungen besser bekannt – die Erfindung des Schießpulvers zum Beispiel oder die Zucht von Seidenraupen –, doch Tang war der Überzeugung, dass die chinesische Entwicklung des Totalitarismus den größten Einfluss auf die Weltgeschichte gehabt hatte.
    »Es war eine Revolution von oben«, hatte sein Dozent erklärt. »Das Volk leistete wenig Widerstand. Die Jahrhunderte unablässiger Kriege hatten die Menschen erschöpft, und keiner konnte etwas gegen die Ordnung einzuwenden haben, für die die Legalisten sorgten. Auch wenn das alles über zweitausendfünfhundert Jahre her ist, haben die Chinesen doch bis zum heutigen Tage eine irrationale Angst vor Chaos und Unordnung.«
    Ein Jahrzehnt später eroberte das Reich Qin die anderen sechs verbliebenen Staaten. Aus einem rückständigen Herzogtum und seinen sechs sich ständig bekriegenden Nachbarn wurde das Erste Kaiserreich.
    »Qin Shi hat den Legalismus in unserer Kultur verankert, und dieser ist bis heute Teil unserer Kultur geblieben. Doch das Konzept hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Diese Veränderungen sind der Grund, warum wir beide uns weiter unterhalten müssen.«
    Und das hatten sie getan. Noch oft.
    »Studieren Sie Mao«, hatte sein Dozent ihm geraten. »Er war ein moderner Legalist. Er hat die Furcht der Chinesen vor dem Chaos begriffen – und mehr als alles andere erklärt das sowohl seinen Erfolg als auch sein Scheitern.«
    Tang war der Aufforderung seines Dozenten gefolgt.
    Unter einem nationalen Gesichtspunkt hatte Mao China einig, stark und sicher machen wollen, genau wie einstmals Qin Shi. Gesellschaftlich hatte er sich die Entwicklung Chinas zu einer egalitären Gemeinschaft im marxistischen Sinne gewünscht. Und persönlich wollte er, dass sein Werk über seinen Tod hinaus Bestand hatte und seine Revolution unumkehrbar blieb.
    Sein erstes Ziel hatte er erreicht. Beim zweiten war er grandios gescheitert.
    Und beim dritten?
    Das war die offene Frage.
    Erstaunlich, wie sehr Mao Qin Shi schließlich geähnelt hatte. Beide hatten ein neues Regime errichtet, das nach einer langen Periode blutigen Aufruhrs Einheit brachte und die Lokalfürsten entmachtete. Beide hatten für die Vereinheitlichung von Normen gesorgt und die Gesellschaft verändert. Sie hatten auf einer einzigen gemeinsamen Sprache, Währung, Gesinnung und Loyalität bestanden. Grandiose Bauprojekte waren zu ihrer Zeit an der Tagesordnung. Beide hassten Kaufleute und brachten Intellektuelle zum Schweigen. Sie ermutigten zu ihrer eigenen Verehrung und erfanden neue Titel für sich, die ihrer abgehobenen Selbsteinschätzung entsprachen. Qin hatte sich für Erster Kaiser entschieden, während Mao Vorsitzender

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