Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
vorgezogen hatte. Nach ihrem Tod wurden sie pompös bestattet und hart kritisiert, aber die Grundstruktur ihres Regimes hatte überdauert.
»Das war kein Zufall«, hatte Tangs Dozent ihm während eines ihrer letzten Gespräche gesagt. »Mao hat den Ersten Kaiser verstanden. Das sollten Sie auch.«
Und das tat er.
Kein chinesischer Führer des 20. Jahrhunderts hatte die Verehrung der Menschen so wie Mao auf sich gezogen. Er herrschte wie ein Kaiser, und kein einziger Pakt, den Peking später mit dem Volk schloss, war mit dem »Mandat des Himmels«, vergleichbar, das »Kaiser« wie Mao genossen hatten.
Aber Maos Tage waren vorbei.
Unterwirf dich loyal politischen Lösungen, die vor Jahrhunderten von längst verstorbenen Gelehrten vorgeschlagen worden sind. So hatte Konfuzius’ Rat gelautet. Das erschien jedoch unmöglich.
Es würde kein zweiter Hase am selben Baumstumpf sterben.
Er billigte voll und ganz, was Mao mit der Kulturrevolution unternommen hatte. Aus Hochachtung vor diesem Ereignis hatte er damals aufgehört, die traditionelle Form seines Namens zu verwenden – Tang Karl, wobei der Familienname zuerst kam. Stattdessen hatte er sich für die moderne Version Karl Tang entschieden. Er erinnerte sich an die Zeit, als die Roten Garden im Land gewütet hatten. Sie hatten Schulen geschlossen, Intellektuelle eingesperrt, Bücherverbote durchgesetzt, Klöster aufgelöst und Tempel geschlossen. Alle Erinnerungsstücke an Chinas feudalistische oder kapitalistische Vergangenheit waren zerstört worden, und die alten Sitten, alten Gewohnheiten, die alte Kultur und das alte Denken hat te man beiseitegeräumt.
Millionen waren gestorben und weitere Millionen waren in Mitleidenschaft gezogen worden.
Und doch war Mao beliebter denn je aus der Kulturrevolution hervorgegangen, und der Staat war danach gestärkt gewesen.
Tang sah auf die Uhr und atmete die saubere Luft in tiefen Zügen ein.
Ein Lächeln spielte um seine Lippen.
Es konnte losgehen.
25
Antwerpen
Cassiopeia näherte sich dem Museum und wandte sich demselben Hintereingang zu, den sie zwei Tage zuvor erkundet hatte. Sie war in einer Hotelbroschüre auf das Dries-Van-Egmond-Museum gestoßen, als sie um die Entscheidung gerungen hatte, wo sie die Lampe am besten verstecken sollte. In seinen Räumlichkeiten befand sich eine Sammlung von niederländischen, französischen und flämischen Kunstobjekten. Aber richtig aufmerksam war sie erst geworden, als ihr in der Broschüre das chinesische Boudoir im zweiten Stock ins Auge gefallen war.
Blieb nur zu hoffen, dass die Lampe noch von niemandem entdeckt worden war.
Sie war an heimkehrenden Paaren und an selbstversunkenen Passanten vorbeigekommen, hatte aber niemanden bemerkt, der sich in einen Eingang geduckt hatte oder ihr gefolgt war. Auf den Schaufensterscheiben geschlossener Geschäfte klebte Werbung und buhlte um ihre Aufmerksamkeit, aber sie ließ sich nicht ablenken. Sie musste die Lampe zurückholen und dann Kontakt mit Sokolov aufnehmen. Dabei würde ihr ein Ehepaar helfen, das wie Sokolov die quälende Erfahrung gemacht hatte, ein Kind zu verlieren. Die beiden hatten sich bereiterklärt, jederzeit kodierte E-Mail-Botschaften aus Belgien weiterzuleiten.
Sie fragte sich, was mit Malone passiert war. Tomas hatte ihr gesagt, er habe aus Kopenhagen nichts gehört, aber aus Tomas’ Mund bedeutete das nichts. Vielleicht würde sie nach Dänemark reisen, wenn sie die jetzige Aufgabe hinter sich gebracht hatte. Cotton konnte ihr bei der Entscheidung helfen, was sie als Nächstes tun sollte.
Sie würde am besten mit dem Zug fahren.
Dort gab es keine Sicherheitskontrollen.
Und sie könnte schlafen.
Malone erblickte das Museum in einem aus alten und neuen Gebäuden gemischten Straßenzug. Die Fassade ließ an Italien denken. Antwerpens Straßen waren menschenleer. Über den Bürgersteigen brannten Straßenlaternen, aber ansonsten schien die Stadt zu schlafen. Er betrachtete die schön geformten Fenster der Gebäude, die sich in unterschiedlichen Quadraten, Kreisen und Rechtecken nach oben zogen. Keines leuchtete.
Zwei Straßen entfernt hatte er geparkt und war langsam hierhergekommen. Er wusste nicht recht, was nun geschehen würde. Wie wollte Cassiopeia eigentlich in das Gebäude gelangen? Wollte sie einbrechen? Gewiss nicht hier. Der Haupteingang war durch ein geschlossenes Eisentor versperrt, und die Fenster waren vergittert. Stephanie hatte ihn angerufen und ihm gesagt, sie habe das Alarmsystem
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