Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
Hektar. Der Duft von Popcorn und Zuckerwatte lag in der Luft und vereinigte sich mit den Klängen eines Wiener Walzers und einer Bigband. Er wusste, dass der Gründer des Tivoli den Vergnügungspark gegenüber Dänemarks Christian VIII. mit den Worten gerechtfertigt hatte: Wenn das Volk sich amüsiert, denkt es nicht an Politik.
Malone kannte die chinesische Pagode. Von Bäumen umstanden erhob sie sich vier Stockwerke hoch an einem See. Sie war mehr als hundert Jahre alt, und ihr asiatisch wirkendes Foto schmückte nahezu jede Broschüre, die für den Tivoli warb.
Eine Truppe Jungen, fesch gekleidet mit roten Jacken, Patronengurten und Bärenfellmützen, marschierte den Nachbarweg hinunter. Die Tivoligarde, eine Marschkapelle. Das Publikum säumte ihren Pfad und verfolgte die Parade. Vor allen Attraktionen drängten sich ungewöhnlich dichte Menschenmengen, denn es war ein Dienstag im Mai, und die Sommersaison hatte gerade erst die Woche zuvor begonnen.
Er erblickte die Pagode. Drei turmartig angeordnete Dachgeschosse mit vorspringenden Gesimsen und hochgezogenen Dachrändern ragten, nach oben kleiner werdend, übereinander auf. Unten lag ein Restaurant, und Besucher strömten ein und aus. Weitere Gäste saßen auf Bänken unter den Bäumen.
Kurz vor vierzehn Uhr.
Er war rechtzeitig gekommen.
Enten aus dem See watschelten zwischen den Parkbesuchern herum. Sie zeigten wenig Furcht. Von sich selbst konnte Malone das nicht behaupten. Seine Nerven waren angespannt, und sein Denken verlief wieder in den Bahnen des Agenten des Justizministeriums, der er zwölf gefährliche Jahre lang gewesen war. Eigentlich war er früher aus dem Dienst ausgeschieden, um sich der Gefahr zu entziehen und stattdessen ein dänischer Buchhändler zu werden. Doch die letzten zwei Jahre waren alles andere als ruhig verlaufen.
Denk nach. Pass auf.
Die elektronische Stimme hatte gesagt, jemand werde ihn hier kontaktieren. Offensichtlich wussten Cassiopeias Häscher genau, wie er aussah.
»Mr. Malone.«
Er drehte sich um.
Neben ihm stand eine Frau, das hagere Gesicht eher länglich als rund. Ihr schwarzes Haar hing glatt herunter, und braune Augen mit langen Wimpern gaben ihr etwas Geheimnisvolles. Offen gestanden hatte er eine Schwäche für fernöstliche Schönheit. Sie trug schicke Kleidung, die ihrer Figur schmeichelte. Ein Burberry-Rock umspielte ihre schmale Taille.
»Ich bin hier, um das Päckchen abzuholen«, sagte sie.
Er wedelte mit dem Umschlag in seiner Hand. »Das hier?«
Sie nickte.
Sie war Ende zwanzig, bewegte sich lässig und gab sich in dieser Situation völlig unbesorgt. Sein Verdacht bestätigte sich rasch.
»Haben Sie Lust auf ein spätes Mittagessen mit mir?«, fragte er.
Sie lächelte. »Ein andermal.«
»Das klingt vielversprechend. Wie kann ich Sie finden?«
»Ich weiß, wo Ihr Buchladen ist.«
Er lächelte. »Wie dumm von mir.«
Sie zeigte auf den Umschlag. »Ich muss jetzt los.«
Er reichte ihr das Päckchen.
»Vielleicht schaue ich mal wieder in Ihrem Laden vorbei«, sagte sie mit einem Lächeln.
»Gerne.«
Er sah ihr nach, wie sie lässig davonschlenderte und in der Menschenmenge verschwand.
Tang schloss die Augen und überließ sich dem beruhigenden Dröhnen der Hubschrauberturbine.
Er sah auf die Uhr.
21.05 Uhr hier bedeutete 14.05 Uhr in Antwerpen.
Es geschah so viel auf einmal. Seine ganze Zukunft wurde jetzt von einem Zusammenprall verschiedener Umstände bestimmt, die er alle unter Kontrolle behalten musste.
Wenigstens war das Problem Jin Zhao jetzt gelöst.
Alles fand nun seinen angemessenen Platz. Dreißig Jahre der Hingabe würden bald belohnt werden. Alle Bedrohungen waren entweder beseitigt oder befanden sich zumindest unter Kontrolle.
Jetzt blieb nur noch Ni Yong.
4
Antwerpen, Belgien
14.05 Uhr
Ni Yong setzte sich in den schwarz lackierten Stuhl, eine Reproduktion der Qing-Periode. Er kannte die eleganten Linien und schönen Schwünge, und dieses Stück hier war ein ausgezeichnetes Beispiel für die chinesische Handwerkskunst vor dem 18. Jahrhundert. Die Schreinerarbeit war in ihrer Exaktheit von so hoher Qualität, dass Nägel und Klebstoff sich als überflüssig erwiesen.
Sein ernst dreinblickender Gastgeber saß in einem Rohrsessel. Das Gesicht des Mannes war länger als bei den meisten Chinesen, die Augen runder, seine Stirn höher; das schüttere Haar war leicht gewellt. Pau Wen trug eine jadegrüne Seidenjacke und weiße Hosen.
»Ihr Heim ist elegant«, sagte Ni in
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