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Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
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wäre. Aber sie ging zu ihm, sagte »Bengt« zu seinem Rücken hin. Sah, als er sich umdrehte, den Schmerz, den körperlichen und den inneren, in dem vertrauten zerfurchten Gesicht. Als Erstes entschuldigte man sich. Immer.
    »Es hat sich was Neues ergeben. Tut mir leid. Es ist …«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie suchte nach Worten.
    »So was passiert eben.«
    Sie zeigte mit dem Daumen über die Schulter zurück.
    »Können wir im Auto reden?«
    Etwas Fremdes in seinen Augen. Ein Ausdruck, den sie noch nie gesehen hatte. Eine Distanz. Ein Blick, der fast nach Mitleid aussah.
    »Hör mal«, sagte sie. »Ich kann verstehen, dass du nicht bei meiner Mutter wohnen willst. Ich dachte ja auch nicht, dass sich das alles so lange hinzieht.«
    Eine Hoffnung. Ein Plan.
    »Wir könnten ins Hotel. Ein Familienzimmer nehmen. Es dauert ja nicht mehr lange.«
    Er schüttelte den Kopf, und sie hätte so gern die Worte gefunden, die ihn zum Bleiben bewegen konnten.
    »Wir waren vielleicht etwas voreilig, Sarah«, sagte er. Es klang distanziert und unpersönlich. »Vielleicht ist es besser so. Der Umzug nach Schweden …«
    Wieder dieser stechende Schmerz hinter ihren Augen.
    »Nein! Wir waren nicht voreilig. Was meinst du denn damit?« Eine einzelne Träne rann über ihre rechte Wange. »Ich möchte doch auch gern …«
    Sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, als sei sie eine der verstörten Jugendlichen in Nanna Birk Larsens Schule.
    »Ich möchte mit dir zusammen sein, Bengt. Bitte bleib.«
    »Ich kann das nicht mehr mit ansehen«, sagte er, dann gab er ihr einen Kuss, den Kaffeebecher in der Hand.
    Eine kurze Umarmung. Wie zwischen Freunden. Es fühlte sich nicht einmal nach Abschied an.
    »Mach’s gut«, sagte er wie nebenbei. Dann stieg er in den Zug.
    Sie stand auf dem Bahnsteig, sah dem Zug nach. Die Lichter des Bahnhofs verschwammen vor ihren Augen. Sie schluchzte wie seit Jahren nicht mehr. Es war so schwer, die richtigen Worte zu finden. Oder zumindest, sie auszusprechen. Was sie bedeuteten, was die Welt mit all ihren seltsamen, unergründlichen Gesichtern bedeutete … das waren Dinge, die sie beschäftigten, immer schon, obsessiv. Sie hatte Bengt gesagt, dass sie ihn liebte. Nicht oft. Nicht immer wieder. Es schien nicht nötig. Schien aufdringlich. Und es änderte ohnehin nichts. Sie war nun einmal die, die sie war, und sie war zufrieden damit. Der Preis dafür … Wieder fuhr die rauhe Wolle des Ärmels über ihr Gesicht, kratzte an den Augen, auf der Haut. Einen Moment lang verdunkelten sich die Lichter ringsum. Sie war wieder im Pfingstwald, zwischen den kahlen Bäumen mit der abblätternden silbernen Rinde. Jagte den Mann, der Nanna Birk Larsen gejagt hatte. War wieder verloren, wie Nanna es gewesen war in jenen grausamen letzten Momenten.
    Der dunkle Wald …
    Nanna, die zwischen den Birkenstämmen um ihr Leben kämpfte. Lund, die sich durch das Dunkel um den gewaltsamen Tod des Mädchens kämpfte, Meyer, der darum kämpfte, sich neben ihr zu behaupten. Sie alle waren in den Wald hinein verschwunden. Mussten sich für Abzweigungen entscheiden. Nach links oder nach rechts. Nach oben oder nach unten. Der Weg geradeaus dem Blick entzogen.
    Allein.
    Das war sie in gewisser Weise von Anfang an gewesen. Vielleicht hatte Bengt das erkannt. Dass er, wenn er aus ihren Augen war, auch aus ihrem Sinn war. Dass für sie dann nur noch zählte, was sie mit diesen glänzenden, suchenden Augen vor sich sah. Und selbst das schien nun eine Lüge, ein Scherz, ein Phantom, das lachend durch das Dunkel huschte. Für sie gab es keinen Weg. Keine richtige Richtung, keinen richtigen Kurs. Nur die Suche danach. Die Jagd, nicht das Ende. Der Zug folgte den geraden, unverrückbaren Gleisen, die zur Öresundbrücke führten. Eine Abzweigung, die sie nicht genommen hatte. Ein Weg, der zuwachsen und sich verlieren würde.
    Sie alle bewegten sich im Dunkeln, jagten die Beute in ihrem Innern wie im Außen. Meyer, der darum rang, seinen Job zu behalten. Die Birk Larsens, die sich mühten, ihren Kummer zu begraben. Troels Hartmann, der Poster-Boy der Politik. Ein beeindruckender, intelligenter Mann, unter der Oberfläche von einem Dämon verfolgt. Dessen war sie sich sicher. Vielleicht, dachte Lund, war sie gar nicht allein.
    Als sie wieder im Auto saß, rief Meyer an.
    »Hallo? Hat’s dir die Sprache verschlagen?«
    »Was ist?«
    »Ich hab in der KTU Nannas Handy nochmal untersuchen lassen. In ihrem Telefonbuch waren

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