Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
ursprünglich 53 Nummern.« Er machte eine Pause. »Wir haben aber nur zweiundfünfzig bekommen.«
Sie ertrug es nicht, jetzt mit ihm zu sprechen.
»Kann das nicht bis morgen warten?«
»Ich hab eine Gesprächsliste gefunden, die mehrere Monate zurückreicht. Die hab ich mit den Daten auf dem Handy verglichen. Irgendjemand verarscht uns da, Lund. Die Liste war nicht vollständig. Nanna hat Anrufe gemacht, von denen wir nie was erfahren haben.«
»Wo bist du im Moment?«
»Draußen. Du hältst mich wohl für blöd.«
»Nein, tu ich nicht. Wie oft muss ich das noch sagen?«
»Und jetzt kommt das Schlimmste. Der Erste, der die Listen und das Handy gesehen hat, war Buchard.«
Lund fuhr weiter.
»Das kann nicht sein.«
»Doch, Lund. Und das gefällt mir nicht. Wenn Buchard jemanden deckt, dann muss es Hartmann sein. Alles deutet darauf hin.«
»Nicht jetzt«, flüsterte sie.
»Wenn wir nicht mit Buchard reden können, mit wem können wir dann reden? Hm? Wer zieht da die Fäden? Mein Gott …«
Sie ließ das Handy sinken.
»Lund? Lund!«
Vor ihr tauchte das Polizeipräsidium aus dem Dunkel auf, ein hellgrauer Palast mit so vielen gekrümmten Fluren, so vielen Büros und versteckten Winkeln, dass sie sich dort noch immer verlaufen konnte, wenn sie nicht achtgab. Sarah Lund fuhr weiter. Daran vorbei. Dorthin, wo zumindest für den Augenblick ihr Zuhause war.
Vier Minderheitsparteien waren im Kopenhagener Stadtrat vertreten, rechts, links und irgendwo dazwischen. Sie stritten sich ständig oder gingen Bremer um den Bart, um einen Platz in einem Preisverleihungskomitee oder ein lukratives Pöstchen zu ergattern. Um Viertel vor zehn versammelten sich die Fraktionsführer in Hartmanns Büro. Er hatte ein frisches Hemd aus dem Schrank geholt, hatte sich rasiert, gekämmt und sein Aussehen von Rie Skovgaard begutachten lassen. Für diese Leute musste er kein Lächeln aufsetzen. Das waren Insider. Die brauchten es nicht.
»Wir vertreten hier fünf Parteien mit sehr unterschiedlichen politischen Programmen«, sagte er in ruhigem, routiniertem Ton. »Sehen wir uns einmal die letzte Wahl an. Wenn wir unsere Stimmen zusammengelegt hätten, dann hätten wir eine klare Mehrheit gehabt.«
Er machte eine Pause.
»Eine klare Mehrheit. Die letzten Meinungsumfragen deuten darauf hin, dass es auch diesmal wieder so sein würde. Vielleicht sogar noch günstiger für uns.«
Jens Holck, der Führer der Gemäßigten, die größte und härteste Nuss, die es zu knacken galt, seufzte, zog ein Taschentuch hervor und begann seine Brille zu putzen.
»Tu nicht so gelangweilt, Jens«, sagte Hartmann. »Es geht hier um Sieg oder Niederlage. Bremer weiß das. Was meinst du, warum er sonst im Fernsehen diese Spielchen mit mir spielt?«
»Weil du ihn immer wieder dazu provozierst, Troels.«
»Nein«, beharrte Hartmann. »Das tu ich nicht. Das Gleiche könnte auch jedem anderen passieren, wenn Bremer sich durch ihn bedroht fühlt. Das ist die Situation hier im Rathaus. Und deshalb brauchen wir eine breite Allianz. Um Bremer ein für alle Mal loszuwerden.«
Mai Juhl, eine kleine, lebhafte Frau, hatte die Umweltpartei aus dem Nichts auf die Beine gestellt. Sie wurde allgemein respektiert, aber nur wenige waren ihr wohlgesonnen. Die Politik war ihr Leben, was Hartmann seltsam erschien, denn bisher hatte sie herzlich wenig erreicht.
»Das ist ja alles schön und gut, aber was haben wir eigentlich gemeinsam?«, fragte sie. »Wie könnten wir …«
»Eine ganze Menge, Mai. Bildung, Wohnungsbau, Integration. Umwelt auch. Du bist nicht die Einzige, die sich Gedanken macht. Wir haben mehr Gemeinsamkeiten, als du denkst.«
»Und was ist mit den Integrationsvorbildern?« Bei den meisten gängigen Themen tendierte Juhl nach rechts. »Die würdest du doch um nichts in der Welt aufgeben.«
»Ja, allerdings.«
»Also, da liegen wir meilenweit auseinander.«
Hartmann sah alle der Reihe nach an, wählte sein Thema mit Bedacht, stützte sich dabei auf Morten Webers Recherchen.
»Leif. Hat Bremer euch nicht beim letzten Mal versprochen, den CO 2 -Ausstoß zu reduzieren? Das ist nicht geschehen. Was hat er für die älteren Menschen getan? Ist das nicht auch für euch ein zentrales Anliegen? Bistrup. Hat er die Arbeitsplätze geschaffen, die er versprochen hat? Jens. Du hast doch immer gesagt, die Stadt muss für Familien mit Kindern attraktiver werden. Was ist aus all dem geworden?«
Keiner antwortete.
»Bremer hat sich euer gutgemeintes
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