Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
wieder. Sie tupfte sie mit einem Papiertaschentuch ab. Hielt schließlich das blutige Knäuel daraufgedrückt.
»Außerdem hat der Typ gesagt, das Wasser wird täglich bakteriologisch untersucht. Sie hätten’s doch gemerkt, wenn da was wäre.«
»Das war vor einundzwanzig Jahren. Vergiss den Kanal erstmal. Warum ist Nanna in die Wohnung gegangen? Sie hat sich auf was gefreut, erinnerst du dich? Die Fotos von ihr auf der Schulfete. Da war sie glücklich.«
»Sie mochte Holck. Deswegen war sie glücklich.«
Lund sah ihn blinzelnd an.
»Okay. So läuft’s vielleicht nicht«, gab Meyer zu. »Aber man weiß nie alles.«
»Warum sind sie nicht zusammen in die Wohnung?«
»Weil er Politiker ist. Er konnte sich doch nicht mit einer Neunzehnjährigen in der Öffentlichkeit zeigen. Und vielleicht …«
»Mein Gott, Meyer! Denkst du jetzt auch, ich bin verrückt?«
»Natürlich nicht. Schließlich fahr ich dich nach Hause.«
»Sobald was heikel wird, ziehst du’s ins Lächerliche.«
»Ich halte dich nicht für verrückt, Lund. Okay?«
»Du musst dir die Akte Mette Hauge nochmal ansehen. Das war ein großer Fall damals. Tausendsiebenhundert Vernehmungen. Da muss doch jemand dabei sein, der auch was mit Nanna zu tun hat.«
Meyer stöhnte auf.
»Ich muss?«
»Ja. Brix hat meinen Ausweis. Ich kann nicht ins Archiv. Mach’s heute Abend. Achte auf Namensgleichheiten. Von Personen, von Orten.«
»Nein.«
»Sieh nach, ob …«
»Nein!«, brüllte Meyer.
Schweigen.
»Das muss aufhören«, sagte er schließlich. »Das ist ja schon die reinste Manie.«
»Sie schaute aus dem Fenster. »Ich kann verstehen, dass es ein Scheißgefühl für dich ist, wenn’s nicht Holck war«, sagte sie.
Er nahm die Hände vom Steuer. Schlug sie zusammen, fasste das Steuer wieder.
»Falls du’s noch nicht gemerkt hast: Ich hab Holck deinetwegen erschossen. Nicht wegen Nanna. Die war schon tot.«
Schweigen.
»Wie kommt’s, dass du solche Antennen für alles um dich herum hast?«, fragte er. »Nur nicht für dich selbst?«
Er zögerte.
»Nicht mal für deine eigene Familie.«
»Du hast das Richtige getan, Meyer.«
»Das weiß ich. Aber darum geht’s nicht. Der Fall ist abgeschlossen. Basta.«
Sie sah ihn nicht an.
»Du bist die Einzige, die das nicht begreift. Ich glaub, du musst mal zum Psychologen oder so.«
»Also bin ich doch verrückt?«
»Herr im Himmel …«
Sie löste ihren Gurt, griff nach ihrer Jacke.
»Halt an. Lass mich hier raus.«
»Jetzt sei nicht kindisch.«
Sie steckte die Akten in ihre Tasche. Fasste den Türgriff, wollte die Tür öffnen, obwohl der Wagen noch fuhr.
»Beruhige dich!«, rief Meyer.
»Halt an und lass mich raus.«
»Weißt du überhaupt, wo wir hier sind?«
Lund sah sich die Straßenlampen an. Irgendwo nicht weit von Vesterbro. Am falschen Ende der Stadt, nicht dort, wo ihre Mutter wohnte.
»Ja«, sagte sie. »Das weiß ich.«
Hartmann ging in die Pressekonferenz, Skovgaard an seiner Seite.
»Was sollen wir denn hier?«, flüsterte sie. »Du hast doch gehört, was Stokke gesagt hat. Bremer hätte dich von Anfang an entlasten können …«
Wieder ein holzgetäfelter Raum. Gemälde an den Wänden, alte und neue. Die Reporter versammelten sich, die Kameraleute brachten ihre Ausrüstung in Stellung. Die Fraktionsvorsitzenden standen in einem Grüppchen auf dem Podium. Weber musste Skovgaard ausnahmsweise einmal recht geben.
»Du kannst doch die Fakten nicht ignorieren«, sagte er. »Das ist eine Farce.«
Mai Juhl kam heran und schüttelte Hartmann die Hand.
»Schön, dass du gekommen bist, Troels. Nach allem, was du durchgemacht hast.«
»Nach allem, was man ihm angetan hat«, murmelte Weber.
»Schon gut, Mai«, sagte Hartmann. »Entschuldige mich einen Moment.«
Poul Bremer war hereingekommen und blätterte in seinen Unterlagen. Hartmann ging zu ihm.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte Bremer. »Also, packen wir’s an.«
»Wir müssen reden.«
Die Reporter nahmen Platz.
»Nein, Troels. Jetzt nicht.«
»Du hast gewusst, dass Holck Geld an Olav Christensen überwiesen hat.«
Bremer schob die Hände in die Hosentaschen, sah ihn mit offenem Mund aus schmalen Augen an.
»So? Wer sagt das?«
Hartmann antwortete nicht.
»Äh … lass mich raten. Einer von den Beamten?« Bremer lächelte. »Kann ich mir denken. Denen geht’s doch immer erstmal darum, ihre eigene Haut zu retten.«
»Du hast es gewusst«, sagte Hartmann. »Versuch dich nicht
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