Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Antwort.
»Über Bressau. Das Überwachungsvideo.«
Sie stand wie erstarrt, mit steinerner Miene, den Blick auf ihn geheftet. Schwieg.
»Dass du niemanden in die Wohnung lassen wolltest.«
»Nein, nein. Es ist nicht so, wie du denkst.«
Der Assistent kam wieder.
»Wir sind gleich auf Sendung, Hartmann. Wenn Sie da mitmachen wollen, sollten Sie besser reingehen.«
»Troels!«
Er trat ins gleißende Licht und nahm seinen Platz ein.
Nach zehn Minuten begann das Hickhack um Steuererhöhungen. Hartmann konnte den Blick nicht von dem alten Mann zwei Stühle weiter abwenden. Er sah aus, als hätte er die Wahl schon gewonnen. Als könnte er es gar nicht erwarten, mit triumphierendem Lächeln vor den Stadtrat zu treten. Und vier weitere Jahre auf seinem glänzenden Thron zu sitzen. Dann kam es.
»Steuern sind wichtig«, sagte Bremer mit der ruhigen, überheblichen Art, die er in drei Jahrzehnten auf der politischen Bühne perfektioniert hatte. »Aber genauso wichtig ist der persönliche Charakter derer, die wir zu unseren Vertretern wählen.«
Er sah direkt in die Kamera.
»Der Mord an Nanna Birk Larsen …«
»Moment«, unterbrach ihn der Moderator. »Wir sprechen heute Abend nur über Politik …«
»Aber in der Politik geht’s doch zuallererst um Ethik und Moral«, sagte Bremer und warf einen Blick auf Hartmann, bevor er wieder in die Kamera schaute. »Die Wähler haben ein Recht darauf zu erfahren …«
Hartmann lehnte sich zurück, hörte zu. Bremers Gesichtsausdruck zeigte jetzt resignierte Entrüstung.
»Man hat mich beschuldigt, Informationen unterdrückt zu haben. Sogar angezeigt hat man mich. Dies alles auf Betreiben von Troels Hartmann. Demselben Mann, der seinerseits bewusst Informationen zurückgehalten und den Fortgang einer strafrechtlichen Ermittlung behindert hat …«
Hartmann hob einen Finger, brachte nicht die Kraft auf, Bremer einfach zu unterbrechen. Merkte, dass er zu Rie Skovgaard hinübersah, die in der Studiotür stand.
»Wie kann es sein, dass seine Parteiwohnung unberührt blieb, bis die Mordkommission von sich aus darauf stieß?«, fragte Bremer. »Wie konnte ein Überwachungsband plötzlich verschwinden und dann genauso plötzlich wiederauftauchen? Wie?«
Endlich fand Hartmann seine Stimme wieder.
»Bei der Polizei hat man mir versichert, dass Bremers Anschuldigungen gegenstandslos sind. Es sind die verzweifelten Bemühungen eines Mannes, der alles tun würde, um an der Macht zu bleiben.«
»Macht?« Bremers Stimme überschlug sich fast. Sein Gesicht war gerötet. Er lockerte seine Krawatte. »Dann sind die eben falsch informiert. Wenn sie den Beweis sehen, den ich habe …«
Der Moderator wurde immer nervöser.
»Bitte fassen Sie sich kurz …«
»Aber das betrifft den innersten Kern der Angelegenheit!«, kreischte Bremer.
Hartmann machte sich Gedanken über Bremers Stimmung. Seinen Gemütszustand.
»Wenn Sie von Ihren Phantasien so überzeugt sind, Poul, dann gehen Sie doch zur Polizei. Ich habe von der Wahrheit nichts zu befürchten. Im Gegensatz zu Ihnen …«
»Sie scheinheiliger kleiner Scheißer«, schrie Bremer ihn an.
Stille.
Dann sagte Hartmann: »Was Kopenhagen braucht, sind politische Aussagen, keine persönlichen Beschimpfungen. Wenn die Polizei mit mir reden möchte, weiß sie, wo sie mich findet.«
»Wenn ich hier fertig bin, kommen Sie wieder hinter Schloss und Riegel, Hartmann. Da, wo sie hingehören …«
»Moment! Moment! Ich bin in jeder Hinsicht entlastet.«
Die beiden brüllten sich nur noch an. Der Moderator war machtlos.
»Vor dieser Sendung …«, setzte Bremer an.
»So wird man, wenn man zwölf Jahre an der Macht ist«, blaffte Hartmann.
Bremer hatte den Blick gesenkt. Sein Gesicht war hochrot. Er atmete schwer.
»Ich habe Informationen …«
»Nein, nein«, überschrie Hartmann ihn. »Sie können weiter nichts, als hierherkommen und eine Schlammschlacht anfangen. Statt über Politik zu sprechen. Das ist des Oberbürgermeisters von Kopenhagen unwürdig. Sie sind ungeeignet für dieses Amt …«
»Ungeeignet?« Bremers Stimme drohte sich vollends zu überschlagen. »Ich habe Informationen …«
»Das System ist erstarrt«, fuhr Hartmann dazwischen. »Wir leben unter einem erbärmlichen alten Despoten, der, statt sich auf eine Debatte einzulassen, Politikerkollegen wie Schachfiguren behandelt und anschließend seine Überheblichkeit an den Wählern auslässt.«
Bremer fasste sich an die Kehle, riss an seinem Hemdkragen, rang nach
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