Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Luft. »Ich habe Beweise dafür, dass …«, sagte er.
Hartmann schonte ihn nicht.
»Sie haben gar nichts. Sie versuchen nur, von Ihren eigenen Fehlleistungen abzulenken. Das machen Sie immer. Den Scheinwerfer auf andere richten, um von Ihrem eigenen politischen Bankrott und Ihrem fehlenden Weitblick abzulenken.«
Bremer starrte ihn fassungslos an. Sprachlos. Atemlos.
»Bankrott, Poul«, fuhr Hartmann fort, mit klarer, fester Stimme. »Sie sehen, ich scheue mich nicht, es auszusprechen. Vor unseren Augen kommen Sie …«
»Ich habe den Beweis …«, schrie Bremer.
»Sie haben gar nichts.«
Er sah den alten Mann in dem grauen Nadelstreifenanzug an. Bremer umklammerte seinen rechten Arm. Sein Mund war offen, seine Lippen bewegten sich.
»Ich …«
Mit einem leisen, angstvollen Stöhnen glitt Poul Bremer vom Stuhl.
Die Augen hinter seiner Brille waren glasig. Sein Gesicht war starr. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Hartmann war im nächsten Moment bei ihm. Lockerte ihm die Krawatte.
»Bremer?«, sagte er. »Bremer?«
Lund war wieder in Bülows Büro. Im zweiten Stock des Präsidiums, gegenüber der Mordkommission. Am Ende eines langen, mit schwarzem Marmor ausgekleideten Flurs.
»Warum ist Meyer nicht sofort mit Ihnen reingegangen?«
»Er hat es nicht für so wichtig gehalten.«
»Haben Sie ihm einen Befehl erteilt?«
»Nein. Ich wollte nur mal rasch nachsehen. Er hat mich angerufen und gesagt, er hätte eine eingeschlagene Fensterscheibe entdeckt. Und dass er nicht weit von mir auf derselben Etage den Schein einer Taschenlampe gesehen hat. Aber das war die von Frevert, nicht meine.«
Bülow setzte sich, sah sie an.
»Die von Frevert?«
»Ach so. Entschuldigung. Ich bin müde. Es war … die Taschenlampe von irgendjemand anderem.«
Er wirkte zufrieden.
»Wir sind uns also einig, dass Frevert nicht dort war, ja?«
Darüber hatte sie nachgedacht.
»Er hatte uns noch mehr zu sagen. Er wollte nur nicht, dass es jemand erfährt. Frevert hatte vor irgendwem Angst. Vielleicht hatte er was gesehen, was er nicht hätte sehen dürfen.«
»Also, obwohl er diesen Zettel geschrieben hat, hat er weder Mette noch Nanna ermordet?«, fragte Bülow.
»Sie wissen nicht, ob er den Zettel geschrieben hat. Sie wissen nicht, ob es Selbstmord war.«
»Sie haben anscheinend ein Vorliebe für wilde Spekulationen.«
»Nein«, widersprach Lund. »Keineswegs. Jemand war in dem Lagerhaus. Der Betreffende wusste, dass wir dort nach etwas suchen würden. Der Lagerraum mit Mettes Sachen war aufgebrochen. Er muss das genommen haben, wonach wir suchen.«
»Sie wollten eigentlich längst in Schweden sein, Lund. Wollte Meyer den Fall für sich allein?«
»Was soll das heißen? Am Anfang, ja, da wollte er es. Dann hat Buchard mich gebeten weiterzumachen …«
»Sie beide haben sich gestritten …«
»Natürlich haben wir uns gestritten. Bei so einem Fall! Aber das hatte nichts zu bedeuten.«
»Hat sich Meyer also bei seinem Vorgesetzten wegen gar nichts beschwert? Er hat seiner Frau gesagt, Sie seien an dem Abend nicht ganz bei sich gewesen. Sie seien verrückt. Sie hätten keinen Grund gehabt, zu diesem Lagerhaus zu fahren.«
»Meyer wäre nicht mitgekommen, wenn es keinen Grund gegeben hätte …«
»Er war nicht der Einzige, dem aufgefallen war, in welchem Zustand Sie sind«, sagte Bülow. »Besessen. Weit weg von der Realität.«
»Wer hat das gesagt? Brix? Svendsen?«
»Egal, wer es gesagt hat. Stimmt es?«
»Nein. Und ich habe Brix schon zweimal den Arsch gerettet.«
Sie beugte sich vor und sah Bülow und den Assistenten über den Tisch hinweg an.
»Ich muss wissen, was er von Mette Hauges Sachen mitgenommen hat. Wenn wir das finden …«
»Wenn da wirklich jemand war«, unterbrach Bülow sie. »Abgesehen von Ihnen und Jan Meyer.«
»Wie bitte?«
»Kommen Sie mit«, befahl er.
Drei Räume weiter. Ein Forensiker, der ihr bekannt vorkam. Ein Computer mit Lautsprechern. Bülow stand hinter ihm. Lund setzte sich, als er sie dazu aufforderte. Er hielt einen Beweisbeutel mit Meyers Handy darin hoch.
»Als Sie in dem Lagerhaus waren, hat Meyer eine Kurzwahltaste gedrückt, die er bei Befragungen von Verdächtigen benutzt hat. Hören Sie.«
Der Techniker tippte etwas. Meyers Stimme kam aus den Lautsprechern.
»Lund? Hörst du mich? Hallo?«
»Lund!«
»Scheiße!«
»Lund!«
»Meyer. Er ist im Aufzug und kommt runter. Ich bin auf der Treppe. Der Aufzug!«
»Ich bin am Aufzug.«
Eine lange Pause. Ein
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