Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Spurensicherung hinüber. Er hatte Hunger. Die Männer ebenfalls. Und Svendsen ging ihm allmählich auf die Nerven.
»Geh noch mal runter.«
»Die Techniker packen gerade zusammen. Wir haben alles durchsucht. Wie geht’s Lynge?«
»Er kommt in einer Woche raus. Gibt’s da unten einen Heizungskeller?«
»Der ist immer abgeschlossen. Da kommt keiner rein außer dem Hausmeister.«
»Ich komme, bin schon unterwegs.«
Er hörte den Verkehrslärm. Die schwarzen, regennassen Straßen waren fast leer. In ein paar Minuten würde sie bei ihm sein.
Er ging los, stieg wieder die verdreckte Betontreppe hinunter.
»Man soll beim Fahren nicht telefonieren, das weißt du doch.«
»Bist du schon unten?«
»Wir haben den Hausmeister hier.«
»Ich muss wissen, was da drin ist.«
»Schon gut, schon gut.«
Er ließ sich vom Hausmeister die Tür aufschließen.
»Bist du drin?«
»Ja! Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd, ja?«
»Was siehst du?«
Pause. Dann sagte Meyer: »Den Heizkessel. Wer hätte das gedacht!«
Dann: »Da ist nur ein Haufen Gerümpel. Tische, Stühle und Bücher.« Er räusperte sich. »Okay, Lund. Vielleicht konnten die Kids ja hier rein. Aber da ist nichts.«
»Bist du dir sicher?«
»Warte mal kurz.«
»Was ist denn?«
Meyer machte ein ekelerregendes Geräusch.
»Die Verbindung wird immer schlechter, Lund.« Dann murmelte er: »Großer Gott …«
Er stopfte das Handy in die Tasche, ging weiter, leuchtete mit der Taschenlampe erst auf die eine, dann auf die andere Seite. Nach oben, nach unten. Daran hatte er schon früher gedacht. Der Hausmeister hatte gesagt, der Heizkessel werde aus einem externen Tank mit Öl beschickt. Deshalb müsse niemand in den Heizungskeller, außer freitags für die wöchentliche Wartung. Am anderen Ende war noch eine Tür. Ohne Griff. Sah aus, als wäre sie seit Jahren nicht mehr geöffnet worden. Meyer nahm ein Taschentuch und zog an der Blechkante. Die Tür ging auf. Er spähte hinein, ließ den Lichtkegel wandern. Hier waren Jugendliche gewesen. Zu seinen Füßen die Reste von zwei Joints, am Boden ausgetreten. Bierdosen. Und … Meyer stieß einen Pfiff aus. Ein Kondompäckchen, die Folie aufgerissen, leer. Hinter ihm Geräusche. Irgendetwas tat sich draußen im Hauptkeller. Er kümmerte sich nicht darum.
Er nahm sein Handy aus der Tasche, wählte Lunds Nummer. Sagte sofort: »Am besten, du kommst gleich her. Lund …?«
Tief in den Betoneingeweiden der Schule hatte er kein Netz.
»Also wirklich …«, sagte er leise.
»Was ist?«
Er fuhr zusammen. Eine Taschenlampe leuchtete ihm ins Gesicht. Dann auf den Boden.
»Du musst ja gefahren sein wie eine Irre. Gib’s zu, Lund. Du bist auch nicht besser als ich.«
Sie antwortete nicht. Sah nur auf dasselbe Ding wie er. Eine verdreckte Matratze auf dem Boden. Blutflecken in der Ecke. Blutflecken an der abblätternden grauen Wand.
Fingerabdrücke erschienen auf dem bröckelnden Putz des Raums im Schulkeller. Techniker in weißen Schutzanzügen markierten, zeichneten, fotografierten. Lund rief bei ihrer Mutter an und sagte Mark, er solle seine Schularbeiten machen und Schwedisch üben.
»Die Oma hilft dir.«
Sie war ins Treppenhaus des Gymnasiums zurückgegangen, um sich die Blumen und Fotos der kleinen Gedenkstätte für Nanna neben den Schließfächern anzusehen.
»Das ist gut«, sagte sie. »Ciao.«
Da war ein Bild. Zwei als Engel verkleidete Mädchen. Nanna, vielleicht mit dreizehn. Und Lisa Rasmussen. Davor zwei rote Kerzen. Ein Flämmchen flackerte in der kalten Zugluft.
»Wer hat die Kerze angezündet?«, fragte sie.
Meyer war fünf Minuten vor ihr da gewesen. Einen Moment lang wirkte er jung und schuldbewusst.
»Weiß ich doch nicht. Ist das wichtig?«
»Du solltest hier nichts verändern, Meyer.«
»Wer sagt denn …?«
Sie winkte ab.
»Sollten wir nicht in den Keller runter und uns da umsehen?«
Lund rückte das Foto von Nanna gerade. Betrachtete das Mädchen, das jetzt tot war. Sie hielt die Hand auf. Meyer sah sie verständnislos an.
»Dein Feuerzeug. Ich gewöhn’s mir ja ab, wie du weißt.«
»Ach so.«
Er warf ihr das silberne Zippo zu. Es sah teuer aus. Lund betrachtete die Fotos und die Blumen, wünschte, sie könnte mehr bieten als das. War sich darüber im Klaren, dass das noch kommen musste. Dann zündete sie die andere Kerze an und schaute in das winzige flackernde Flämmchen. Eine kleine Opfergabe. Armselig.
»Gehen wir in den Keller«, sagte sie und folgte ihm
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