Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Hotdog. Knusprige Röstzwiebeln. Remoulade. Saure Gurkenscheiben.
»Du hast einen von den Jungs zum Imbisswagen geschickt und mir nichts gesagt?«
»Ich dachte, du stehst nur auf schwedische Wurst.«
Sie stand da, die Hände in den Hüften, und durchbohrte ihn mit Blicken. Er biss rasch noch einmal ab. Zog eine Grimasse.
»Mistkerl«, sagte Lund. »Wo ist das Motiv?«
»Ich hatte Hunger.«
Genervtes Schweigen.
»Ach so, Jeppe und Oliver. Die lügen wie gedruckt. Finde die Lüge, dann ist das Motiv nicht mehr weit. Meyers Handbuch der Ermittlungsarbeit, Seite 32.«
Lund war immer noch sauer, aus zwei Gründen: erstens der Hotdog, zweitens der Witz mit der Wurst. Grund eins wog schwerer.
»Ich rede mit Rotschopf und ruf dich an«, sagte Meyer.
»Der wird genauso nach einem Anwalt schreien wie Jeppe.«
»Nein«, widersprach Meyer. »Anspruch auf einen Anwalt hat er nur, wenn wir ihn festnehmen. Wenn ich ihn nur als Zeugen vernehme … Ich kenne das Gesetz. Und halte mich meistens auch daran. Außerdem …«
»Nein.«
»Du bist so was von negativ. Bloß weil ich dir keinen Hotdog besorgt hab.«
»Ich will Speichel- und Blutproben für die DNA.« Ein rascher Entschluss. »Wir nehmen sie fest. Jetzt gleich.«
Meyer war sichtlich hin und her gerissen.
»Finde ich eine Superidee, aber es würde Stunden dauern, bis die Anwälte hier sind. Sollen wir hier sitzen und Däumchen drehen, bis die aufkreuzen?«
»Nein. Wir durchsuchen die Wohnung. Überprüfen ihre E-Mails. Telefongespräche. Suchen das Mädchen, mit dem Schandorff angeblich das ganze Wochenende verbracht hat.«
Er fluchte mit vollem Mund.
»Sonst noch was?«
Wieder dieser Tonfall. Er konnte auch anders, das wusste sie inzwischen. Was aber selten vorkam.
»Warum bist du so sauer, Meyer?«
Der Rest der Wurst verschwand, während er darüber nachdachte.
»Weil ich ein fühlendes Wesen bin.«
Keine Reaktion.
»Noch was?«, fragte er noch einmal.
»Nein.«
Sie überlegte.
»Doch.« Sie ging zu ihm und stieß ihm den Finger in die Brust. »Wenn du das nächste Mal einen Anwärter zum Imbisswagen schickst, sag ihm gefälligst, er soll mir auch was mitbringen.«
Lund beschloss, zuerst bei Buchard die Lage zu sondieren. Der Polizeichef blätterte die Fotos von Nanna aus der Pathologie durch. Blutiges Auge, in Fötalstellung zusammengekrümmt, Schürfwunden und andere Verletzungen. Hämatome. Ergebnisse einer lange andauernden brutalen Misshandlung.
»Was hast du über die beiden Schüler?«, fragte er. »Gesicherte Spuren aus dem Kellerraum?«
»Nichts Konkretes, bis die Proben untersucht sind. Aber wir haben absolute Priorität bei den DNA-Leuten.«
Buchard sah sich noch weitere Fotos an.
»Wer die Eltern sind, weißt du?«
Lund runzelte die Stirn.
»Muss uns das interessieren?«
Er war aus irgendeinem Grund schlecht drauf.
»Wir haben auch so schon genug Staub aufgewirbelt. Wir müssen vorsichtig sein.«
Meyer steckte den Kopf durch die Tür und verkündete: »Hartmann möchte sich mit dir treffen.«
»Weswegen?«, fragte sie.
»Hat er nicht gesagt. Scheint aber wichtig zu sein.«
»Der kann warten. Wir gehen in die Wohnung.«
Sie wollte zur Tür, aber Buchard hielt sie am Arm fest.
»Was hast du da gesagt? Troels Hartmann ist möglicherweise der nächste Oberbürgermeister von Kopenhagen. Wichtige Leute aus dem Rathaus stoßen wir nicht ohne triftigen Grund vor den Kopf.«
»Wir müssen die Wohnung eines Verdächtigen durchsuchen …«
»Das kann ich doch übernehmen«, mischte sich Meyer ein. »Keine Sorge. Ich halte dich auf dem Laufenden.«
Buchard nickte.
»Gut. Dann wär das geklärt.«
Der Polizeichef ging hinaus.
»Ruf Hartmann an«, sagte Meyer und ging hinter Buchard her. »Er hat ausdrücklich dich verlangt.«
Lund wartete an der Bar. Sie fühlte sich unbehaglich und fehl am Platz. Sie ging nicht oft aus, auch nicht mit Bengt. Nach den letzten paar Tagen kam ihr dieses auf Touristen zugeschnittene Restaurant in Nyhavn zu normal vor. Zu gemütlich, zu menschlich. Hartmann kam fünf Minuten zu spät, entschuldigte sich wortreich. Während sie auf einen Tisch warteten, fragte er: »Wie geht’s den Eltern des Mädchens?«
Wollte der Politiker das wissen, fragte sie sich. Oder der Mensch?
»Haben Sie mich dazu hierher bestellt? Um über die Eltern zu reden?«
»Sie haben nicht gerade ein Faible für Smalltalk, stimmt’s?«
»Nicht, wenn ich mitten in einem Fall stecke. Einem wie diesem.«
»Ich gebe morgen
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