Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
›Scheiß‹ gesagt. Bring dem Jungen keine falschen Sachen bei. Jeppe?«
»Ja?«
»Der Fahrer hat seinen Autoschlüssel verloren. Hast du ihn vielleicht gesehen?«
»Nein. Haben Sie mich hierher zitiert, weil ein Schlüssel fehlt?«
»Was wolltest du im Keller?«, fragte Lund.
»Nachschub holen für die Bar.«
Meyer begann an seinen Fingernägeln herumzuzupfen. Die Hand zur Faust geballt.
»Wir haben da unten einen Raum gefunden«, sagte er. »In dem ist gefeiert worden. Weißt du was davon?«
Hald zögerte. Wollte schon nein sagen. Doch dann: »Ich glaube, der Festausschuss hatte da einen Raum, in dem Bier und alkoholfreie Getränke gelagert wurden. Meinen Sie den?«
»Den mit dem Bier und der Limonade, Blut, Drogen und Kondomen?«, fragte Meyer zurück, den Blick immer noch auf seine Nägel gerichtet. »Den meinen wir.«
»Nicht, dass ich wüsste.«
Lund sagte eine Zeitlang nichts. Meyer ebenso. Sie schauten in ihre Unterlagen. Jeppe Hald saß am Tisch, bewegte sich kaum, atmete kaum. Dann zeigte sie ihm ein Foto.
»Nannas Hut. Den haben wir da gefunden. Weißt du, ob sie dort unten war?«
Kopfschütteln. Schulterzucken. Keine Ahnung. Meyer stieß einen langen Seufzer aus.
»Das letzte Bier hab ich gegen neun geholt. Da hab ich niemanden gesehen.«
Meyer ließ den Kopf auf seine Unterarme sinken und sah den jungen Mann durch halb geschlossene Lider an.
»Und du bist dir sicher, dass du später nicht mehr da unten warst?«, fragte Lund.
Kurze Pause, um glaubwürdig zu wirken. Dann: »Ja, ganz sicher.«
»Nach halb zehn hat dich keiner mehr gesehen. Was hast du da gemacht?«
»Äh …«
»Denk nach, Jeppe«, sagte Meyer und unterdrückte ein Gähnen. »Denk genau nach, bevor du antwortest.«
Hald wirkte plötzlich selbstbewusster.
»Durch die Discokugel ist die Sicherung rausgeflogen. Ich hab die letzte eingesetzt, die noch da war. Deshalb bin ich los, um neue zu besorgen. Hab mit dem Rad ziemlich weit fahren müssen.«
»Wir werden das überprüfen«, murmelte Meyer, ohne den Kopf zu heben.
»Als ich zurück war, hat Oliver in einem Klassenzimmer gelegen und geschlafen. Er hatte zu viel getrunken. Wir sind zusammen nach Hause gegangen. Kurz vor zwölf waren wir da. Ich hab ihn ins Bett gebracht. Ging nicht anders.«
»Ganz schön früh.«
»Ja, ich wollte den nächsten Tag auf die Jagd.«
»Hm, auf die Jagd!«, sagte Lund beeindruckt.
Meyer murmelte etwas Unanständiges in seinen Ärmel.
»Auf Gut Sonderris. Unsere Jagdgemeinschaft hatte da eine größere Veranstaltung. Ich bin über Nacht geblieben.«
»Ab morgen geh ich auch auf die Jagd«, sagte Meyer.
Lund schrieb etwas auf ihren Block.
»Ich würde Ihnen wirklich gern helfen«, sagte Hald.
»Ich würde Ihnen wirklich gern helfen«, äffte Meyer ihn mit Fistelstimme nach.
»Aber mehr weiß ich wirklich nicht.«
Lund lächelte ihn an. »Ist gut.« Schrieb noch etwas auf ihren Block. »Tja, dann …«
Sie klappte den Block zu, zuckte die Schultern. Hald lächelte maliziös zurück.
»Dann hätten wir’s«, sagte Lund. »Außer …«
Sie stieß den nahezu komatösen Meyer an.
»Wolltest du noch was fragen?«
Kopf hoch, dem Knaben ins Auge geschaut.
»Dann hast du doch bestimmt nichts dagegen, wenn ich dir eine Blutprobe abnehme?«, fragte Meyer ganz laut. »Und Fingerabdrücke?«
Er berührte ihn an der Hand. Hald zuckte zurück.
»Ich bin auch ganz vorsichtig.«
Meyer hielt Jeppe Hald sein großes rechtes Ohr hin, horchte, bekam nichts zu hören.
»Ansonsten«, ergänzte Lund, »müsste ich dich festnehmen. Und die Proben nehmen wir trotzdem.«
Jeppe Hald, der Gescheite, der Musterschüler, Chef der Schülermitverwaltung, sagte mit zitternder, trotziger Kinderstimme: »Ich sag jetzt nichts mehr. Ich will meinen Anwalt sprechen.«
Lund nickte.
»Einen Anwalt. In Ordnung. Meyer?«
»Sicher. Klar.« Er packte Hald am Arm. »Erst darfst du deinen Anruf machen, Wunderknabe. Dann darf ich dir zeigen, was eine Zelle ist.«
Eine halbe Stunde später hingen Meyers Leute an den Telefonen.
»Ich hab Oliver Schandorff überprüft«, berichtete er Lund. »Am Samstag hat er in einem Café gearbeitet. Hat da eine Frau kennengelernt. Mit der hat er getrunken, bis er stockbesoffen war, dann sind sie zur Villa seiner Eltern. Er ist bis Montag mit ihr dageblieben.«
Einer der Anwärter brachte ein Päckchen herein. Meyer grunzte vor Behagen.
»Du bist ein Engel.«
Er öffnete die Verpackung. Lund sah ihm zu. Ein großer
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