Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
eine Pressekonferenz. Da möchte ich das Richtige sagen.«
»Richtig für wen?«
»Für Sie. Für mich. Aber hauptsächlich für die Eltern.«
Männer wie er verstanden sich so wunderbar auf Ehrlichkeit. Man tat sich schwer, irgendwelche Schwachstellen zu finden.
»Sie können sagen, was Sie wollen.«
»Es hat schon so viele Überraschungen gegeben. Kommen da noch mehr?«
Ohne mit der Wimper zu zucken.
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Kann ich sagen, dass es keine Verbindung zwischen uns und dem Verbrechen gibt?«
Sie nickte.
»Ich denke schon.« Sie musterte ihn. »Wenn Sie selbst meinen, dass das stimmt.«
Die Kellnerin kam. Der reservierte Tisch war bereit.
»War das alles?«
Lund wandte sich zum Gehen.
Er legte ihr ganz sanft die Hand auf den Arm.
»Tut mir leid. Ich weiß, dass ich Ihnen Umstände gemacht habe. Wir sind im Wahlkampf. Es sind ein paar merkwürdige Dinge passiert.« Einen Moment lang wirkte er verärgert. »Ich hatte mit all dem natürlich überhaupt nicht gerechnet.« Er sah sie an. »Haben Sie Hunger?«
Ein voller Teller wurde vorbeigetragen. Fleischbällchen mit Pasta. Das sah viel besser aus als der Hotdog, den Meyer ihr nicht besorgt hatte.
»Das hätte ich auch gern«, sagte Lund. Dann: »Bin gleich wieder da.«
Sie ging in den Vorraum und rief ihre Mutter an. Wurde so laut und freundlich begrüßt wie seit Monaten nicht mehr. Dann kam sie dahinter, warum. Bengt war aus Schweden gekommen und blieb nur die eine Nacht in Kopenhagen.
»Ihr müsst reden«, säuselte Vibeke und gab sie an Bengt weiter.
Ausgerechnet jetzt , dachte Lund, während er von Marks Fortschritten im Schwedischen, dem Sigtuna-Hockeyhemd, das er gefunden hatte, und dem idealen Holz für die perfekte Sauna erzählte. Sie nickte die ganze Zeit, sah aber kaum etwas anderes vor sich als einen verdreckten kleinen Raum in einem Schulkeller, eine blutbefleckte Matratze, einen Tisch mit Getränken und Drogen, einen Hexenhut und eine blaue Glitzerperücke.
»Wann kommst du heim?«, fragte Bengt.
Zurück in der misslichen Gegenwart.
»Bald«, versprach sie. »Bald.«
»Wann?«
Er drängte sie nie. War nie aufgebracht, verärgert oder kühl. Sein angenehmes, friedfertiges Wesen war eines der Dinge, die sie an ihm liebte. Vielleicht machte es ihr aber auch nur das Leben leichter.
»Wenn ich hier fertig bin. Tut mir leid, es ist noch was dazwischengekommen. Wirklich. Lass uns später drüber reden. Ich muss Schluss machen.«
Am Tisch machte sie sich über das Essen her. Sie sprachen wieder über Pressemitteilungen. Über Kooperation. Aus der Nähe interessierte Hartmann sie. Er hatte eine Zerbrechlichkeit und Naivität, die man ihm auf den Plakaten nicht ansah. Er war Witwer. Das hatte sie schon aus alten Zeitungsausschnitten erfahren, als sie im Archiv über Jan Meyer recherchiert hatte. Hartmanns Frau war zwei Jahre zuvor gestorben. Der Verlust hatte ihm schwer zugesetzt. Einmal hatte es sogar so ausgesehen, als fände seine politische Karriere – er hatte nie etwas anderes gemacht – dadurch ein vorzeitiges Ende. Sie merkte, dass er sie anstarrte und plötzlich um Worte verlegen schien.
»Was ist?«
»Sie haben …« Er zeigte darauf. »Sie haben da was am Mundwinkel.«
Lund tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. Dann aß sie genauso gierig weiter. Es war ein angenehmes Lokal. Eines, in dem vorwiegend Paare verkehrten. Oder Männer mit ihren Geliebten. Wäre jemand in diesem Moment hereingekommen und hätte sie mit diesem Mann gesehen …
»Dann sind wir uns also einig?«, fasste er zusammen.
»Sie erzählen Ihre Story. Wir unsere. So, wie es ist.«
»Und wie ist Ihr Leben so?« Er lächelte. »Entschuldigung. Ich weiß nicht, warum ich das gefragt habe. Es geht mich ja nichts an.«
»Es ist ein gutes Leben. Ich bin gerade dabei, mit meinem Sohn nach Schweden zu ziehen. Zu meinem Lebensgefährten. Er wohnt etwas außerhalb von Stockholm. Ich hab dort einen Job. Zivilbeamtin bei der Polizei.«
Sie trank rasch einen Schluck Wein, wünschte sich, das Essen wäre reichlicher gewesen.
»Das wird bestimmt gut«, bekräftigte sie.
»Wie alt ist Ihr Sohn?«
»Zwölf. Und Sie?«
»Tja, schon ein paar Jährchen älter.«
»Ich meinte …«
»Ich weiß. So weit sind wir nicht gekommen. Meine Frau ist gestorben. Die meiste Zeit …« Er zuckte die Schultern, wirkte etwas beschämt. »Ich arbeite fast die ganze Zeit. Aber ich hab jemanden kennengelernt. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.«
»Die
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