Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Hartmann von neuem.
»Davon werden wir ja noch hören«, fiel Bremer ihm ins Wort. »Sehr bald schon, denke ich.«
Kastrup. Eine Viertelstunde vor Abflug. Ihre Plätze lagen in der Mitte des Flugzeugs. Mark am Fenster. Vibeke neben ihm. Lund am Gang, ihr Handy am Ohr. Sie hatte Meyer angerufen.
»Hast du das von Birk Larsen gehört?«, fragte sie und zwängte ihre Tasche ins Gepäckfach.
»Nein. Aber wir haben das Fahrrad gefunden. Was ist los?«
»Welches Fahrrad?«
»Eine Streife hat eine Radfahrerin ohne Licht angehalten. Auf Nannas Rad, wie sich herausgestellt hat.«
Eine streng blickende Stewardess forderte Lund auf, ihr Handy auszuschalten.
»Das Mädchen hat gestanden, das Rad vor Kemals Haus gestohlen zu haben. Wir nehmen ihn jetzt fest. Wo bist du?«
»Im Flugzeug.«
»Na, dann guten Flug.«
»Meyer. Behalte Birk Larsen im Auge.«
Sie setzte sich. Die Stewardess wies vorn im Flugzeug jemand anderen zurecht.
»Warum?«
»Lies die alte Fallakte durch und sorg dafür, dass er nicht in die Nähe von Kemal kommt.«
Sie hörte ihn an seiner Zigarette ziehen.
»Das sagst du mir jetzt! Die beiden sind eben losgefahren. Birk Larsen hat angeboten, ihn in seinem Wagen mitzunehmen.«
»Was?«
»Ich hab einen Mann geschickt, um ihn zu holen. Er war nach der Trauerfeier bei dem Leichenschmaus. Aber Birk Larsen war schon mit ihm losgefahren. Was ist denn?«
»Ist Kemal zu Hause angekommen?«
»Jetzt hör mal zu.« Meyer wurde ärgerlich. »Birk Larsen weiß nichts. Wenn er was wüsste, hätte er Kemal doch nicht eingeladen. Wieso …«
»Ist er zu Hause angekommen?«, wiederholte sie.
»Nein, ist er nicht. Aber ich hab jetzt keine Zeit. Mach’s gut.«
»Meyer!«
Er hatte aufgelegt.
Die Stewardess kam zurück und forderte sie auf, sich anzuschnallen.
Die Maschine stand noch mit offener Tür am Gate. Nicht mehr lange.
Lund schlug auf ihr Handy.
»Ich hab’s Ihnen schon mal gesagt. Schalten Sie Ihr Handy aus und schnallen Sie sich an. Wir starten«, sagte die Frau.
Lund schaute auf die Tastatur. Drückte die Beenden-Taste. Merkte, dass Mark sie ansah. Ihre Mutter ebenfalls. Wahrscheinlich schon länger.
Der Flugkapitän kam. Sagte das Übliche.
Willkommen an Bord Ihres Flugs nach Stockholm. Wir werden in wenigen Minuten starten. Wir haben schönes Wetter und werden pünktlich landen …
Lund dachte an Nanna und den Lehrer. An Meyer und Theis Birk Larsen. Die Stewardess hatte die Hand an der Tür. Redete noch mit dem Mann draußen am Gate, im Begriff, die Tür zu schließen. Verabschiedete sich.
»Nehmt euer Gepäck«, sagte Lund und öffnete ihren Gurt.
»Was?«, brüllte ihre Mutter.
»Yes!«, rief Mark und stieß seine Faust in die Luft.
Dann marschierte Lund den Gang hinunter, zückte mit der einen Hand ihren Polizeiausweis und hielt sich mit der anderen ihr Handy ans Ohr.
Theis Birk Larsen jagte mit dem Van durch die Dunkelheit. Der Lehrer auf dem Beifahrersitz redete. Über die Schule. Über Nanna. Über Familien und Kinder. Worte, die den großen Mann am Steuer kaltließen. Von Vesterbro in die Stadt. Vorbei am Parlament und Nyhavn. Das Wasser. Das freie Gelände um die Festung Kastellet. Lange dunkle Straßen, immer schmaler und leerer. Der Lehrer verstummte. Sagte dann: »Ich glaube, wir haben vor einer Weile die Abzweigung verpasst.«
Birk Larsen fuhr und fuhr, in die schwarze Nacht hinein, versuchte nachzudenken. Wünschte, er könnte die richtigen Worte finden: »Stimmt«, sagte er und fuhr weiter.
Im Taxi vom Flughafen zurück in die Stadt gab Lund die Daten an die Zentrale durch. Roter Kastenwagen, Kennzeichen UE 93 682. Von der Spedition Birk Larsen. Anweisung an alle: Bis auf weiteres nichts mehr unternehmen, neue Anweisungen abwarten. Auf dem Rücksitz schimpfte Vibeke mit Mark.
»Natürlich fährst du nach Schweden. Du denkst doch nicht, dass sich daran was ändert, nur weil deine Mutter solche Geschichten macht, oder?«
Nachdem Lund aufgelegt hatte, sagte Vibeke leise und gedehnt: »Was muss er sich nur denken, dieser nette Mann?«
»Bengt denkt nicht immer nur an sich selbst. Er hat mehr Verständnis für mich als du.«
Ihre Mutter sah sie verärgert an.
»Das kann ich nur hoffen. In deinem Interesse.« Ein langer, prüfender Blick. »Solltest du ihn nicht anrufen? Ihm sagen, dass er euch nicht am Flughafen abzuholen braucht?«
Lund nickte.
»Wollte ich gerade. Danke.«
Svendsen stand schon vor dem Haus des Lehrers, als Meyer ankam. Kemal war noch nicht da.
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