Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Heidenangst vor Birk Larsen. Der hatte einen gewissen Ruf. Gewalt. Jähzorn. Moment … ich seh hier gerade … da ist noch eine zweite Akte drunter.«
Dann, so laut, dass sie das Telefon vom Ohr weghalten musste: »Großer Gott!«
Mark zappelte herum, ihre Mutter nörgelte weiter.
»Was ist?«
Schweigen.
»Sag schon!«
»Vier Wochen später haben sie nochmal nachgehakt, um zu sehen, ob der Dealer sich’s anders überlegt hat. Der Geheimdienst hatte darum gebeten. Die waren wirklich hinter Theis Birk Larsen her.«
»Und?«
»Und nichts. Der Dealer wurde tot aufgefunden. Ich hab die Bilder hier. Herr im Himmel …«
»Was?«
»Der Typ sieht schlimmer aus als nach dem ersten Mal. Wie ein Fleischklumpen.«
»Okay«, unterbrach sie. »Das musst du alles Meyer sagen.«
»Meyer hat zu tun.«
»Sag ihm, er soll mich sofort anrufen.«
»Okay. Bye«
Das Lager war vollbesetzt, aber es war ein stiller Leichenschmaus. Keine Reden. Keine Lieder. Nur Tische mit weißen Tischtüchern und Blumen, Klappstühle, einfache Speisen. Theis Birk Larsen ging zwischen den Gästen umher, nickte, sprach wenig. Sah, dass Emil und Anton zunehmend irritiert waren und sich langweilten. Pernille huschte von Tisch zu Tisch. Hörte zu, sagte kaum etwas. Überließ ihr gequältes, verletztes Gemüt dem beruhigenden, einlullenden Gemurmel der vielen Stimmen. Das Geschäft lief weiter. Leute riefen an. Kunden, die von nichts wussten. Auf dem Nebenanschluss an der Tür wimmelte Vagn Skærbæk sie ab. Traurige Augen, schwarzer Pullover, schwarze Jeans. Kaffee und Mineralwasser. Belegte Brote und Kuchen. Birk Larsen ging wie ein Geist umher, sorgte dafür, dass die Tassen voll waren, die Platten nicht leer wurden. Ein stummer Ober. Bei der verchromten Kaffeemaschine im Büro fing Skærbæk ihn ab.
»Theis. Ich hab eben einen Anruf bekommen.«
»Keine Geschäfte heute, Vagn. Ich mach gerade Kaffee.«
»Ich hab eben mit Janniks Frau gesprochen. Die in der Schule arbeitet.«
Birk Larsen drehte den Hahn zu, stellte die halbvolle Tasse auf den Tisch. Ging ins Halbdunkel, weg von den Leuten draußen.
»Das ist jetzt nicht der Moment …«
»Doch«, beharrte Skærbæk. »Gerade jetzt.«
»Ich hab doch gesagt, das kann warten.«
»Ich hab was erfahren.«
Birk Larsen sah ihn an. Sah in das Schlägergesicht, das er seit Kindertagen kannte. Faltiger jetzt. Weniger Haare. Immer noch ein bisschen ängstlich. Ein bisschen dumm.
»Ich mach gerade Kaffee!«
Skærbæk sah ihn an. Trotzig. Wütend sogar.
»Er ist hier«, sagte er.
Birk Larsen schüttelte den Kopf, strich sich übers Kinn, die Wange, fragte sich, weshalb er sich nicht einmal an einem Tag wie diesem besser rasieren konnte.
Fragte: »Wer?«
»Der, von dem sie glauben, dass er’s war.« Skærbæks dunkle, verschlagene Augen glänzten. »Er ist hier.«
Ein Name. Ausgesprochen mit dem heftigen Abscheu, den Skærbæk Ausländern vorbehielt. Birk Larsen schaute durch die Scheibe.
Der Raum begann sich zu leeren. Der Leichenschmaus näherte sich dem Ende. Nach langer Zeit verließ Birk Larsen das Büro, ging mit langsamen, schweren Schritten hinüber, überlegte, was er sagen sollte. Was er tun sollte. Pernille dankte dem Lehrer für den Kranz. Rama, elegant und gutaussehend in seinem schwarzen Anzug, selbstsicher und respektabel, wie Birk Larsen es für sich nie würde erhoffen können, sagte: »Der war von der Schule. Von uns allen. Schülern und Lehrern.« Er sah Birk Larsen an, erwartete etwas.
Worte.
»Wir brauchen noch Kaffee.«
Pernille starrte ihn an, verletzt durch seine Grobheit.
»Soll ich noch welchen machen?«
Ein Nicken. Sie ging.
Worte.
»Danke für die Einladung zu Ihnen nach Hause«, sagte der Lehrer.
Birk Larsen sah auf den Tisch hinab. Die Tassen, die Gläser, die halb leergegessenen Teller. Zündete sich eine Zigarette an.
»Das bedeutet Nannas Klassenkameraden viel.«
Es klang routiniert und freundlich. Nur eine Spur fremdländisch. Nicht unartikuliert wie bei den meisten anderen. Ausländer. Fremd.
»Es bedeutet auch mir viel.« Rama wollte seinen Arm berühren.
Irgendetwas in Birk Larsens Augen hinderte ihn daran.
Parks und Freizeitangebote. Saubere Technologie und Umweltjobs. Das Interview lief gut. Hartmann wusste das. Die Leute im Studio auch. Das merkte er am Tonfall der Fragen, den nickenden Köpfen im Dunkel hinter den Kameras. Und an Poul Bremers steifen Antworten.
»All diese Ideen müssen Sie doch sehr freuen, Herr
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