Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Seine Frau hatte nichts von ihm gehört. Theis Birk Larsen war verschwunden. Ging nicht an sein Handy.
»Wo ist Kemals Auto?«
»Noch in der Garage.«
»Okay. Fahr nochmal die Strecke von Birk Larsens Haus hierher ab.«
Svendsen sträubte sich: »Haben wir doch schon gemacht.«
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt hab? Nochmal.«
Svendsen rührte sich nicht.
»Soll ich Kemal als vermisst melden?«
»Wozu denn das?«, fragte Meyer.
»Lund hat mit Skov geredet, bevor sie los ist. Birk Larsen ist gefährlich, hat sie gesagt.«
Meyer schob sich einen Kaugummi in den Mund, ging auf Svendsen zu, schaute sich um und rief: »Lund! Lund! «
Zuckte die Schultern. Sah den Polizisten an, fragte: »Siehst du sie hier irgendwo?«
Svendsen sagte nichts.
»Von jetzt an machen wir’s auf meine Weise. Verstanden? Lund ist weit weg, bei den Feen. Melkt die Kühe oder so.«
Das Funkgerät krächzte. Es ging um Birk Larsens Transporter. Meyer rief in der Zentrale an und sagte: »Hier 80-15. Ich habe keine Fahndung erbeten. Was gibt’s?«
»Kommissarin Lund hat die Fahndung erbeten.«
Meyer versuchte zu lachen.
»Lund ist in Schweden, also mach keine Witze.«
»Lund hat vor fünf Minuten angerufen und die Fahndung angeordnet.« Pause. »Wir machen nie Witze.«
Ende des Gesprächs.
»Hier ist Theis Birk Larsen. Hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Telefonnummer. Ich rufe zurück.«
Pernille hielt das Telefon vor sich hin, während die Ansage lief. Lund hörte zu. Das Taxi war weitergefahren, hatte Vibeke und Mark nach Hause gebracht. Sie war allein mit Pernille Birk Larsen, umgeben von schmutzigen Tellern, schmutzigen Tassen, schmutzigen Gläsern, unaufgeräumten Tischen vom Leichenschmaus.
»Und Sie haben keine Ahnung, wo er ist?«, fragte Lund.
»Er hat Rama nach Hause gefahren.«
Pernille wirkte blass, erschöpft. Und neugierig.
»Wieso ist das so wichtig?«
»War irgendwas, bevor sie losgefahren sind? Zwischen den beiden Männern?«
»Ich hab mich mit dem Lehrer unterhalten. Theis ist dazugekommen. Ich sollte noch Kaffee machen.« Sie ließ den Blick über die Reste von der Feier und die leere Garage schweifen. »Also hab ich welchen gemacht. Für die Gäste. Was soll das alles?«
»War ihr Mann aufgeregt oder wütend? Oder …«
»Wütend?«
Pernille Birk Larsen sah sie finster an. Eine starke Frau, dachte Lund. In mancher Hinsicht ihrem Mann durchaus ebenbürtig.
»Was glauben Sie wohl, wie es ihm heute geht? Was glauben Sie, wie es mir geht? Schauen Sie sich doch um. Aber Sie waren sowieso schon überall, oder?«
»Pernille.«
»Überall …«
Aus dem Büro kam ein Geräusch. Der Mann, der anscheinend ständig hier war, einer von den Arbeitern. Sie kannte seinen Namen. Sie hatten ihn oberflächlich überprüft. Kleinere Vergehen. Wie bei Birk Larsen.
Vagn Skærbæk.
»Ihr Mann ist möglicherweise gerade dabei, eine große Dummheit zu machen«, sagte sie und beobachtete Pernille genau. »Deshalb müssen wir ihn finden.«
»Warum? Warum sollte er eine Dummheit machen?«
Von der Treppe her rief einer der Jungs nach ihr.
»Mein Sohn braucht mich«, sagte Pernille und ging.
Lund ging geradewegs ins Büro und zeigte dem Mann ihren Ausweis.
»Sind Sie sein Freund?«
Er kramte in den Papieren. Wich ihrem Blick aus.
»Ja.«
»Wo ist er hin?«
»Weiß ich nicht.« Wie aus der Pistole geschossen.
Noch mehr Papiere. Sie ging zu ihm hin und nahm sie ihm aus der Hand.
»Hören Sie mir zu. Das ist wichtig. Wenn Sie sein Freund sind, dann sollten Sie ihm jetzt helfen. Wo wollten die beiden hin?«
Er hatte eine silberne Halskette und das Gesicht eines alternden jungen Mannes. Lund kannte solche Leute zur Genüge. Wenig Geld. Kaum Chancen. Sie wusste, was sie zu erwarten hatte.
»Ich hab keine Ahnung.«
Ein Geräusch an der Tür. Jemand kaute, räusperte sich. Inzwischen erkannte sie ihn an solchen Kleinigkeiten. Sie telefonierte schon mit der Zentrale, als sie sich zu Meyer umdrehte.
»Ihr müsst zwei Handys orten. Das von Theis Birk Larsen und das von Rahman Al Kemal. Hier die Nummern.«
Sie gab Meyer das Handy und nickte: Mach du das.
»Das zahl ich dir heim, Lund.«
»Keine Zeit. Vagn?«
Er hatte sich wieder in seine Ecke verkrochen.
»Haben Sie noch andere Lager?«
Meyer gab die Handynummern durch.
»Vagn?«
In der Hafengegend nördlich der Stadt; die verlassenen Kais des Freihafens. Regen wie Tränen aus einem endlosen schwarzen Himmel. Der rote Kastenwagen fuhr langsam bis ans
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